gliederverzeichnisse einreichen mußten. Hansjoachim Hennings Behauptung: „In der
Rheinprovinz konnten Kriegervereine, in denen die Arbeiter dominierten, nicht festge¬
stellt werden. Nicht einmal im Saargebiet waren solche Vereine zu finden“^, ist jedoch
nicht haltbar. Obwohl eine Geschichte der Kriegervereine an der Saar auch nicht an¬
satzweise existiert, läßt sich allein anhand der entsprechenden Akten von Dudweiler
und Sulzbach ähnlich wie im Ruhrgebiet16 17 ein hoher Beteiligungsgrad der Bergarbeiter
ablesen: Die vier Dudweiler Vereine zählten Anfang 1891 immerhin 753, im September
1892 817 Mitglieder. Der,,Kriegerverein Dudweiler“, die mit Abstand größte Organisa¬
tion, war ,,zusammengesetzt aus Bergarbeitern, Handwerkern und unteren Beamten“,
während es über den dortigen ,,Deutschen Waffenbruder-Verein“ heißt: ,,Die Mitglie¬
der gehören ganz dem Arbeiterstande an“18 19.
Die bergmännisch dominierten Geselligkeitsvereine, ihre Feste und Feierlichkeiten,
wurden schon früh von allen Seiten beargwöhnt: Dechant Oesterling sah in ihnen Brut¬
stätten der „Genußsucht“^, und der Saarbrücker Landrat v. Miquel stellte einige Jahre
später fest: „Die Zahl der Vereinsfestlichkeiten (Fahnenweihen, Stiftungsfeste und der¬
gleichen) mehrt sich in letzter Zeit derart, daß auf ihre Einschränkung unbedingt Be¬
dacht genommen werden muߓ20 21. Aber auch auf seiten der Bergarbeitergewerkschaft
erkannte man hier entpolitisierende Vereinsmeierei am Werk und ritt wütende Attak-
ken gegen die ,,Luxusvereine“2x. Dennoch bildete das bergmännische Vereinswesen
vor 1889 eine, vielleicht die entscheidende Brücke zwischen ständischer Korporation
und gewerkschaftlicher Interessenartikulation, wie Klaus Tenfelde als erster festgestellt
hat22. Denn die Vereine regelten nicht nur Anpassungskonflikte und schufen auch nicht
nur Ausgleichsmöglichkeiten, sie boten sich auch an als Kommunikationszentren, in
denen neue Bedürfnisse geweckt, das individuelle und kollektive Selbstbewußtsein be¬
fördert und Selbstverwaltungserfahrungen gemacht werden konnten. Dieser informelle
Meinungsaustausch lenkte den Blick auf die gleichartige soziale Situation und reduzier¬
te Herkunfts- und Konfessionsbarrieren — im besonderen wohl in den weit verbreite¬
ten bergmännischen Sterbekassen und Unterstützungsvereinen mit ihrer institutionali¬
sierten Einübung in selbstverwaltete Solidarität. Der Kleinrosseler Streik 1874 wurde
jedenfalls in Versammlungen der Sterbekassenmitglieder von Großrosseln und St. Ni¬
kolaus vorbereitet23, und Peter Klein, einer der wenigen sozialdemokratischen Bergar¬
beiter, schrieb rückblickend 1908: „Wir hatten uns, da man sonst keine Organisation
16 Henning, S. 469. Als Beispiel nennt er bezeichnenderweise nur die Kriegervereine von
Saarbrücken und St. Johann.
17 Tenfelde: Sozialgeschichte, S. 351.
18 Verzeichnis der im Bezirk der Bürgermeisterei Dudweiler vorhandenen Krieger-Vereine vom
26. 2. 1891, SADU, F 33, Nr. 11. Vgl. W. Mertens : Geschichte des Kriegervereins Dud¬
weiler 1873 — 1913, Dudweiler 1913. Ähnliches gilt für die vier Sulzbacher Vereine, die laut
Nachweisung vom 12. 7. 1892 496 Mitgliederzählten, LASB, Dep. BMA Sulzbach, F 68, Nr.
5.
19 Oesterling: Memorandum, S. 10 f.
20 LR Miquel/SB an die Kreisbürgermeister vom 26. 8. 1913, SADU, F 44, Nr. 9.
21 Köllmann: Bergarbeiterstreik, S. 265. H u e : Bergarbeiter, Bd. 1, S. 421. Ludwig Schröder
führte beispielsweise am 22. September 1891 in einer Bildstocker Versammlung aus: „Die
Knappenvereine hatten nur den Zweck, den Bergmannsstand zu verherrlichen, schöne Beerdi¬
gungen und schöne Feste zu veranstalten, alles andere war ausgeschlossen“, BM Forster/Fried-
richsthal an LR vom 23. 9. 1891, Konzept SAFR, Acta RSV, Abschriften LHAK 442/4274
und 403/6834, 327-341, Zitat S. 329.
22 Vgl. Tenfelde : Sozialgeschichte, S. 395 f. Ders. : Bergmännisches Vereinswesen, S. 327.
23 Aktennotiz Haßlacher/BWD vom 29. 7. 1874, LASB 564/715,51.
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