den Vereinsbeitritt ultimativ zu verlangen36, blieb jedenfalls folgenlos. Möglicherweise
spielten dabei bereits Zweifel an der generellen Wirksamkeit der Knappenvereine eine
Rolle, denn Richthofen hatte im gleichen Schreiben mit unfreiwilliger Ironie die „Be¬
gleitung der Leichenzüge von Vereinsmitgliedern“ als „Hauptthätigkeit“ des ,,Knap¬
penvereins Wilhelm“ bezeichnet37.
Die Knappenvereine in Dudweiler und Herrensohr blieben zwar bestehen, doch ihre
Vorortfunktion mußten sie faktisch aufgeben. Der ,,Knappenverein Wilhelm“ zerfiel
als Gesamtorganisation.
3.3 Die bergmännischen Geselligkeitsvereine und Selbsthilfeorganisationen
Wenn auch die Knappenvereine mit ihrer umfassenden Traditionspflege dem Idealty¬
pus des bergmännischen Vereinslebens am nächsten kamen, so nahmen doch auch die
Geselligkeits- und Selbsthilfevereine Elemente dieser berufsständischen Symbolwelt in
sich auf und verschmolzen sie mit ihren spezifischen Zielsetzungen.
Seit Mitte der 50er Jahre entstanden Bergchöre und bergmännische Gesangsvereine, die
sich ,,namentlich auch die Uebung eigentlicher Bergmannslieder angelegen sein (lassen)
und in dieser Beziehung recht wesentlich auch zur Hebung des bergmännischen Geistes
bei(tragen)“1. Teilweise handelte es sich um reine ,,Feierabendvereine", teilweise wa¬
ren sie lose mit den jeweiligen Berginspektionen assoziiert2. Nachweisbar sind derarti¬
ge Vereine in Dudweiler3, Spiesen, Neunkirchen, Sulzbach, Hangard, Mainzweiler,
Ottweiler, Urexweiler, Wiebelskirchen, Luisenthal und St. Ingbert4. Daneben entstan¬
den zwei weitere Typen von Geselligkeitsvereinen: Zum einen Unterhaltungs- und Be¬
lehrungsvereine wie der ,,Bergmännische Verein zu Dudweilerder ,,gesellschaftliches
Beisammensein und Besprechungen über bergmännische und wissenschaftliche Angele¬
genheiten“ bezweckte5, zum anderen ,,Bergmanns-Fahnen-Vereine“ wie in Illingen,
Urexweiler, Friedrichsthal, Bddstock und Roden. „Der größere Theil dieser Vereine
hat lediglich den Zweck, eine Fahne zu beschaffen und zu unterhalten, welche bei
kirchlichen Aufzügen und bei Begräbnissen benutzt werden soll. Meist wird auch all¬
jährlich ein besonderes Fahnenfest mit bergmännischem Zug und Gottesdienst am Vor¬
mittag und geselliger Versammlung am Nachmittag oder Abend gefeiert“6. Die letztere
Bemerkung des „Bergmannsfreund“ verweist neben der Motivation durch arbeitsbe¬
dingte Verdrängungs- und Ausgleichsbedürfnisse auf einen weiteren Zweck der Ver¬
einsgründungen: Sie sollten das kulturelle Defizit der aufgeblähten Bergarbeiterdörfer
beheben, das fehlende Angebot im Reproduktionsbereich durch Selbstorganisation er¬
setzen7.
36 LR Richthofen/SB an RP vom 1. 2. 1885, LHAK 442/6383, 237-253 (identisch mit BM
Blum/Dudweiler an LR vom 29. 1. 1885, Konzept SADU, F 33, Nr. 6).
37 Ebd., 239.
1 Bgmfr. vom 16. 3. 1877 (Nr. 11).
2 Korb, S. 134.
3 Statut vom 31. 3. 1855, SADU, F 32.
4 R. Fi ahn, S. 113.
5 Statut vom November 1860, SADU, F 32.
6 Bgmfr. vom 16. 3. 1877 (Nr. 11).
7 Vgl. für das Ruhrgebiet Brüggemeier, S. 154 f. Lucas, S. 95.
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