ben, die sich Filialkongregationen angliedern durfte. Vor 1889 schlossen sich im Saarre¬
vier Uchtelfangen, Tholey, Spiesen, Hüttersdorf, Urexweiler, Schiffweiler, Alsweiler,
Dudweiler, Bliesen, Göttelborn, Sotzweiler, Hasborn, Wadrill, Primstal, Neunkir¬
chen, Illingen, Mittelbexbach, Elversberg, Nalbach, St. Wendel, Differten, Limbach,
Oberthal und Marpingen an15.
Während die Bruderschaften den marianischen Sodalitäten nachgebildet waren, richte¬
ten sich die Knappenvereine am Vorbild der Kolping’schen Gesellenvereine16 aus: Dort
strich man die religiöse, hier die gesellige Seite heraus. Man gab sich zwar politisch und
konfessionell neutral, bemühte sich jedoch schwerpunktmäßig um eine religiös fun¬
dierte Berufsethik; angegliederte Kranken- und Sterbekassen dienten dabei als Werbe-
und Bindemittel, an wirtschaftliche Interessenvertretung war nicht gedacht. Zwischen
Bruderschaften und Knappenvereinen entwickelte sich somit das Verhältnis zwischen
Kader- und Massenorganisation, der Eintritt in die Bruderschaft bedeutete gleichzeitig
Mitgliedschaft im örtlichen Knappenverein. Weiteren Auftrieb erhielten die katholi¬
schen Bergarbeitervereinigungen durch das Wirken des ,,Arbeiterbischofs“ Wilhelm
Emanuel von Ketteler17, vor allem durch dessen 1864 veröffentlichte Schrift „Die Ar¬
beiterfrage und das Christentum“ und dessen Referat über „Die Fürsorge der Kirche
für die Arbeiter“ vor der Fuldaer Bischofskonferenz im September 186918. Wenn auch
Ketteler in Anlehnung an Lassalle für die Verelendungserscheinungen objektive gesell¬
schaftliche Ursachen anführte, den „wesentlichsten und tiefsten Grund“ der sozialen
Frage sah er doch im „Abfall vom Geiste des Christentums“. Das Hauptgewicht legte
er darum auf die Umwandlung der Gesinnung; der Materialismus liberaler und soziali¬
stischer Prägung sollte wieder vom christlichen Geist der Nächstenliebe verdrängt wer¬
den. Ketteler lobte zwar die englischen Trade Unions, doch in seiner Rede auf der
Liebfrauenheide bei Offenbach am 25. Juli 1869 verlangte er, daß „das Streben nach
Erhöhung des Lohnes in innigem Zusammenhänge mit der Religion und der Sittlichkeit
bleibe“19.
Der erste Knappenverein an der Saar entstand am 4. Dezember 1859 in Ottweiler; un¬
ter den verschiedensten Bezeichnungen folgten ihm in den nächsten Jahren Vereine in
Schiffweiler, Dudweiler, Sulzbach, Alsweiler und Furschweiler. Gemeinsame Feste
seit 1865 bahnten einen Zusammenschluß an. Eine Delegiertenkonferenz am 4. Sep¬
15 Hansen: Vortrag, S. 10. Krajewski: 100 Jahre St. Barbara-Bruderschaften, S. 53.
16 Hansen: Vortrag, S. 20. Zu Kolping vgl. Wilhelm S ch wer : Kolping und seine Zeit, Köln
1921. Michael Sch mölke: Adolph Kolping als Publizist. Ein Beitrag zur Publizistik und
zur Verbandsgeschichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert, Münster 1966. Zu
den Gesellenvereinen vgl. Hans Joachim Kracht: Organisation und Bildungsarbeit der ka¬
tholischen Gesellenvereine (1846 — 1864) (= Die Arbeiterbewegung in den Rheinlanden, Bd.
3), Wentorf 1975.
17 Vgl. O. Pfülf: Bischof Ketteler, 3 Bde, Mainz 1899. Fritz Vigener: Ketteler, ein deut¬
sches Bischofsleben des 19. Jahrhunderts, München — Berlin 1924. Maria Magdalena
Neuefeind: Bischof Ketteler und die soziale Frage seiner Zeit, Diss. Köln 1926. Paul Gre¬
be : Die Arbeiterfrage bei Ketteler, Berlin 1935. Joseph Höffner : Wilhelm Emmanuel von
Ketteler und die katholische Sozialbewegung im 19. Jahrhundert, Wiesbaden 1962. Ludwig
Lenhart: Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler. Staatspolitiker, Sozialpolitiker, Kir¬
chenpolitiker, 2 Bde, Mainz 1966 — 1967.
18 Abgedruckt in Arnold Bongartz: Das katholisch-soziale Vereinswesen in Deutschland,
Würzburg 1879, S. 7 — 28.
19 Vgl. Thun, S. 824 — 828. Schürmann, S. 26 — 31. Haas, S. 20 — 30. Brakeimann:
Die soziale Frage des 19. Jahrhunderts, S. 206 — 208. Erdmann : Christliche Arbeiterbewe¬
gung, S. 15 — 49. Aliendorf: S. 33 — 77, 85 — 96. Imbusch, S. 190 — 193.
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