das Saarrevier“ unter Vorsitz des St. Johanner Tischlers Bruno Behr konstituiert hat¬
te^ , entfielen auf den Kandidaten Emmel im Wahlkreis Saarbrücken gerade 710 Stim¬
men, im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim 112 und im Wahlkreis Saar-
burg-Merzig-Saarlouis 143S8; im Vergleich zu 1893 hatte die Partei damit die Hälfte ih¬
rer Wähler verloren. „Der Rückgang der Stimmenzahl im Saarrevier ist bei der diesjäh¬
rigen Wahl allein auf den Rückgang der Bergleutebewegung zurückzuführen “87 89, analy¬
sierte Emmel das Ergebnis.
Nach dieser Schlappe beschloß man am 28. August 1898 den Anschluß an den im Jahre
zuvor gebildeten oberrheinischen Parteibezirk90. Dennoch ging es nur sehr langsam
vorwärts. Mit dem Gasthaus Roth in der St. Johanner Victoriastraße besaß die Partei¬
gruppe zwar seit Ende 1898 ein regelrechtes Verkehrslokal91, im eigentlichen Industrie¬
revier war jedoch nach wie vor ,,kein Saal zu haben“, wie der Saarbrücker Delegierte
Scherrer auf dem Aachener Parteitag im Frühjahr 1900 bedauernd feststellte92. „Ein
Parteiverein von etwa drei Dutzend Mitgliedern existierte schon“93, erinnerte sich Ni¬
kolaus Osterroth (1875-1933)94, der 1902 ins Saarrevier kam; in der bayerischen Saar¬
pfalz hingegen gab es 1899 überhaupt keine Sozialdemokraten mehr95 96. Der Bonner
Parteitag 1902 erwog sogar den Ausschluß des Kreises Saarbrücken aus dem Agita¬
tionsbereich wegen angeblicher Untätigkeit91’.
Erst in der Folgezeit stabilisierte sich die Parteiarbeit. 1903 entfielen im Wahlkreis Saar¬
brücken 1 875 Stimmen auf die Sozialdemokratie, 186 im Wahlkreis Saarburg-Merzig-
-Saarlouis und 170 im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim97. Im folgenden
Jahr löste man sich erneut vom oberrheinischen Agitationskomitee und bildete zusam¬
men mit den Mitgliedern in der Saarpfalz und im Wahlkreis Saargemünd-Forbach einen
eigenen SPD-Bezirk98. Mit Osterroth, Portenkirchner und dem späteren DGB-Vorsit-
zenden Hans Böckler99 existierte nun eine stabile regionale Führungsgruppe, mit dem
87 LR Bake/SB an die Kreisbürgermeister vom 25.5.1898, SASB, Best. BMA SB, Nr. 1754. Mit¬
gliederverzeichnis vom 1. 6. 1898, ebd.
88 Bellot, S. 199, 201. Zum sozialdemokratischen Wahlkampf vgl. Polizeiwachtmeister Geer-
lings an BM Feldmann/SB vom 3. 6. 1898, SASB, Best. BMA SB, Nr. 233. Bers, S. 17, 19,
23 f. Ein Exemplar der Flugschrift „An die Wähler des Saarreviers“ befindet sich im LH AK
442/6222, 337-340.
89 Bericht über den sozialdemokratischen Parteitag in Koblenz am 4. Dezember 1898, S. 21. Ex¬
emplar LHAK 442/6222, 451 f. Vgl. Bers, S. 72 - 79.
90 LR Bake/SB an RP vom 21. 9. 1898, LHAK 442/4157, 21 —25. Zur Trennung zwischen nie¬
der- und oberrheinischem Agitationsbezirk vgl. (Gewehr), S. 23. Koszyk: Sozialdemo¬
kratische Arbeiterbewegung, S. 157.
91 LR Bake/SB an RP vom 23. 3. 1899, LHAK 442/6222, 461 -466.
92 Bers, S. 82.
93 Nikolaus Osterroth : Nach der Jahrhundertwende im Saargebiet, unveröffentlichtes Ms.,
S. 9, LASB, Slg. Handfest.
94 Vgl. ders. : Vom Beter zum Kämpfer, Berlin 1920. Das Kapitel ,,Sturmjahre in Saarabien“
aus der unveröffentlichten Biographie seines Sohnes Franz Osterroth : ,,Nikolaus Oster¬
roth, Leben eines Bergarbeiters“ befindet sich als Ms. im LASB, Slg. Handfest.
95 E. Schneider, S. 178.
96 Bers, S. 96-103.
97 Bellot, S. 212-214.
98 Bers, S. 54, 116 f.
99 Vgl. Ulrich Borsdorf: Hans Böckler — Repräsentant eines Jahrhunderts gewerkschaftlicher
Politik, in: Heinz Oskar Vetter (Hrsg.): Vom Sozialistengesetz zur Mitbestimmung. Zum
100. Geburtstag von Hans Böckler, Köln 1975, S. 15-58, spez. S. 19-23. Karl Handfest:
In „Saarabien“ begann seine Gewerkschaftslaufbahn. Vor 30 Jahren starb Hans Böckler, in:
Arbeitnehmer 29 (1981), S. 97 - 99.
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