kunftsbüro für Rechtsfragen gründeten11, drohten die wirtschaftlichen Vereine am 4.
Januar 1895 mit der Anwendung ihres Sozialistengesetzes. Erst als der Verbandsvor¬
stand erklärte, keinen Gewerkverein ins Leben rufen zu wollen, nahm man den Be¬
schluß zurück1“. Doch der Konflikt war damit nur vertagt. Nachdem Pfarrer Friedrich
Naumann, der führende Kopf der Christlich-Sozialen13 14, im Oktober 1895 vor dem
Saarbrücker Handwerkerverein einen Vortrag gehalten hatte, kam es zum ,,Patrioten¬
krieg“'*: Der evangelische Oberkirchenrat distanzierte sich auf Betreiben Stumms von
der christlich-sozialen Richtung15. Da die nationalliberale ,,Saarbrücker Zeitung“ in
diesem Konflikt nicht eindeutig die Position des bedingungslosen Patriarchalismus ver¬
trat, gründete Stumm zusammen mit einigen Industriellen die „Neue Saarbrücker Zei¬
tung“ und erreichte beim Innenminister, daß der ,,Saarbrücker Zeitung“ staatliche
Druckaufträge und Inserate entzogen wurden16; auch die Bergwerksdirektion schloß
sich diesem Boykott an17 18. „Ich bin kein persönlicher Feind des Herrn Freiherrn von
Stumm“, erklärte damals Superintendent Zillessen, „aber allerdings ein Feind seines
Systems, das sich mir je länger je mehr als das System der brutalen Gewalt unter völliger
Nichtachtung des unveräußerlichen Rechts jeder anderen Persönlichkeit enthüllt
hat“19. Naumann prägte in seiner Zeitschrift „Die Hilfe“ den Begriff „Saarabien“19.
Auch in den eigenen Betrieben blieb Stumm völlig Herr der Lage. Wie ehedem verkün¬
dete er Boykottmaßnahmen gegen Wirte20 und mißliebige Presseorgane wie Dasbachs
1894 gegründete „Neunkirebener Zeitung“21. Die Behörden ahmten Stumms Vorbild
nach: Da das Fest des hl. Josef 1898 auf den 1. Mai fiel, verbot Bezirksamtmann Schlag-
intweit kurzerhand den alljährlichen Umzug des katholischen Gesellenvereins in St.
Ingbert22. Zwei Jahre später ließ der Saarbrücker Landrat Ferdinand von Fidler23 ein
St. Johanner Lokal für Militärpersonen sperren, weil dort Mitglieder des Fachvereins
11 Satzung abgedruckt bei Saam, S. 240 f.
12 LR Bake/SB an RP vom 28. 2. 1895, LHAK 442/4371, 356-362, spez. S. 358-360. Freiherr
von Stumm-Halberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 37 — 43. G ab e 1, S.
91-93.
13 Vgl. Martin Wenc k : Die Geschichte der Nationalsozialen 1895 - 1903, Berlin 1905. Werner
Conze: Friedrich Naumann. Grundlagen und Ansatz seiner Politik in der nationalsozialen
Zeit (1895 — 1903), in: Walter Hubatsch (Hrsg.): Schicksalswege deutscher Vergangenheit.
Beiträge zur geschichtlichen Deutung der letzten 150 Jahre. Festschrift für Siegfried A. Kaeh-
ler, Düsseldorf 1950, S. 355 — 386. Richard Nürnberger : Imperialismus, Sozialismus und
Christentum bei Friedrich Naumann, in: HZ 170 (1950), S. 525 - 548. Dieter D ü d i n g : Der
Nationalsoziale Verein 1896 — 1903. Der gescheiterte Versuch einer parteipolitischen Synthese
von Nationalismus, Sozialismus und Liberalismus (= Studien zur Geschichte des 19. Jahrhun¬
derts, Bd. 6), München-Wien 1972.
14 Vgl. Freiherr von Stumm-Halberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 70 — 90.
Hermann Kötzschke: Offener Brief an den Herrn Reichstagsabgeordneten Geh. Kom¬
merzienrat Freiherr von Stumm und Genossen, Leipzig 1895. H.R. Schäfer: Anti-Stumm,
Göttingen 1895. Hellwig: Stumm, S. 539 — 552. Saam, S. 242 — 245. Bellot, S.
194- 196.
15 Zirkularerlaß vom 16. Dezember 1895, abgedruckt bei B ra k e 1 m a n n : Kirche, soziale Frage
und Sozialismus, S. 189 — 193.
16 Vgl. Bruch : Wege und Schicksale einer deutschen Zeitung, S. 108 — 114.
17 Ders. : Geschichte des ,,Bergmannsfreund“, S. 79.
18 Freiherr von Stumm-Halberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 49.
19 Bellot, S. 194. Vgl. aus der Sicht des „Alten Verbandes“: Das saarabische System. Eine Stu¬
die zum Nachdenken für Arbeiter und Bürger, Saarbrücken 1918.
20 TLZ vom 23. 5. 1899 (Nr. 231).
21 Fohrmann, S. 264.
22 Pfälzer Volksbote vom 6. 5. 1898 (Nr. 105). Pfälzer Zeitung vom 6. 5. 1898 (Nr. 122).
23 Vgl. B uc h 1 ei tner, S. 204.
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