Wesenheit vertrat ihn der Medizinstudent Karl Philipp Korn41. Am 31. März 1894 stell¬
te der „Bote von der Saar“ das Erscheinen ein. In einem Artikel „An unsere Leser“ be¬
rief man sich auf einen Beschluß des Parteivorstandes, wonach das Blatt zu hohe Zu¬
schüsse erfordere und empfahl nunmehr den „Vorwärts“42. Am 29. April 1894 fanden
zwar zwei Mai-Feiern im bayrischen Schüren bei St. Ingbert und in der lothringischen
Simbacher Mühle bei Güdingen statt, doch sie waren bereits überaus schwach be¬
sucht43. Emmel selber — wohl ermutigt durch sein gutes Ergebnis im Wahlkreis For-
bach-Saargemünd — zog nach seiner Heirat mit einer Saarbrücker Handarbeitslehrerin
im Mai 1894 nach Saargemünd und übernahm dort einen Tabakladen44. Fünf Jahre spä¬
ter übersiedelte er nach Mülhausen — ab September 1892 Sitz des sozialdemokratischen
Landesvorstandes von Elsaß-Lothringen. Seit 1902 vertrat er seine Partei im Gemein¬
derat und im Landesausschuß. Im selben Jahr wurde er Redakteur der in Frankfurt er¬
scheinenden „Freien Presse. Sozialdemokratisches Organ für das Ober-Elsaß“, zwei
Jahre später Geschäftsführer der „Mülhausener Volkszeitung. Freie Presse für das
Ober-Elsaß“. Von Januar 1907 bis November 1918 vertrat Emmel seinen Wahlkreis im
Reichstag. Am 13. November 1919 verstarb er in Jena45.
Der gescheiterte Bergarbeiterstreik, der Zerfall des RSV und der enttäuschende Wahl¬
ausgang an der Saar bildeten das wichtigste Anschauungsmaterial in der bedeutsamen
Gewerkschaftsdebatte des Kölner SPD-Parteitags im Oktober 1893: Bereits im Bericht
des Parteivorstandes referierte Bebel den Niedergang des RSV und zog daraus den
Schluß, daß „dort, wo die Arbeiterschaft noch nicht in den Bannkreis der sozialdemo¬
kratischen Ideen gezogen ist, wie z.B. im Saarrevier“4b, Gewerkschaftsorganisationen
dem Unternehmerdruck nicht standhalten könnten; außerdem verhielten sich Auf¬
schwung und Rückgang der Gewerkschaftsbewegung synchron zu Konjunktur und
Arbeitsmarkt, die politische Indifferenz vieler Arbeiter sei dadurch nicht aufzuheben.
Die vorentscheidenden Argumente waren damit bereits gefallen. Ausgelöst durch den
Antrag Dr. Leo Arons, jedem Parteimitglied die Pflicht aufzuerlegen, einer Gewerk¬
schaft beizutreten, kam es am 4. und 5. Verhandlungstag zu einer scharfen Kontroverse
Fries zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Vgl. Urteil des LG Berlin vom 17. 6. 1895, Abschrift
LHAK 442/4371, 724-750.
41 RP Heppe/Trier an OP vom 2. 12. 1893, LHAK 403/6839, 87-93.
42 Dto. vom3. 4. 1894, ebd., 501 - 508. SZvom2. 4. 1894 (Nr. 76). Der „Bote von der Saar“ hatte
bisher etwa 8000 M. an Parteizuschüssen erfordert: 2257,30 M. im Jahre 1892 (SPD-
Parteitagsprotokoll 1892, S. 38), 3500 M. im Jahre 1893 (SPD-Parteitagsprotokoll 1893, S. 57)
und 2255,56 M. im Jahre 1894 (SPD-Parteitagsprotokoll 1894, S. 39).
43 RP Heppe/Trier an OP vom 2. 6. 1894, LHAK 403/6839, 615 — 619. SZ vom 1. 5. 1894 (Nr.
101).
44 SZ vom 3. 4. (Nr. 77) und 2. 5. 1894 (Nr. 102).
45 Soell, S. 132 — 134. Eberhard Klopp (Hrsg.): Geschichte der Trierer Arbeiterbewegung.
Ein deutsches Beispiel, Bd. 3: Kurzbiographien 1836 — 1933, Trier 1979, S. 31 f. Auskünfte
der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig vom 2. 11. 1972 und der Bibliothèque Municipale
Mulhouse vom 17. 10.1972 an Karl Handfest/Luisenthal. Vgl. Joseph Leopold Emmel: Ver¬
fassungsreform für das Reichsland Elsaß-Lothringen, in: Die Neue Zeit 29 (1910/11), Bd. 1,
S. 670 —674. Ders . : Die Scherben, in: Die Neue Zeit 30 (1911/12), Bd. 2, S. 257 — 260. Zur
Entwicklung der Mülhausener Sozialdemokratie vgl. P. Georges: Die Mülhausener Indu¬
striearbeiterschaft. Zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Elsaß, Mulhouse 1938.
46 SPD-Parteitagsprotokoll 1893, S. 39. In der Tat ging die Zahl der Zentralverbände in den Jah¬
ren 1891 bis 1893 von 62 auf 51 zurück, die Mitgliederzahlen sanken von 277 659 auf 223 530,
vgl. Zwing, S. 52 f. Klaus Schönhoven: Gewerkschaftswachstum, Mitgliederintegration
und bürokratische Organisation in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in: Hans Mommsen
(Hrsg.): Arbeiterbewegung und industrieller Wandel. Studien zu gewerkschaftlichen Organi¬
sationsproblemen im Reich und an der Ruhr, Wuppertal 1980, S. 16 — 37.
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