Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

,,Neunkircher Volkszeitung“ war Jakob Klein, der als Redakteur der ,,Saar-Zeitung“ 
wegen eines Artikels über das Camphauser Grubenunglück zu vier Monaten Gefängnis 
verurteilt worden war"’. Doch bereits Ende Oktober hob man den Beschluß wieder auf 
und proklamierte, ,,jeder Bergmann möge ein Blatt halten, welches er wolle“'7. Der 
Grund mag darin zu suchen sein, daß Klein in seinen Organen ein gemeinsames Auf¬ 
treten von Zentrum und Freisinn bei der Reichstagswahl propagierte und sich damit in¬ 
direkt gegen eine Kandidatur der ,,Arbeiterpartei“ aussprach18. 
Eine Vertrauensmännerversammlung des RSV beschloß am 2. März 1890 gar, eine eige¬ 
ne Tageszeitung zu gründen. Auch dafür dürfte der Grund in der Reichtstagswahl lie¬ 
gen. Die Kandidaten aller anderen Parteien hatten Zeitungen hinter sich gehabt, ledig¬ 
lich Warken und Bachmann mußten sich auf Versammlungen beschränken. Die Wahl¬ 
niederlage dürfte dieses Meinungsdefizit besonders spürbar gemacht haben. Als Re¬ 
dakteur wählte man J. Unterkeller, seit Oktober 1889 Verleger der unparteiischen 
,,Dudweiler Zeitung“'9. Unterkeller erklärte sich zwar bereit, das Blatt ab 1, April er¬ 
scheinen zu lassen20, doch der Beschluß blieb folgenlos. Die Kosten einer Tageszeitung 
überstiegen zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit den finanziellen Horizont des RSV, 
Unterkeller könnte in politischer Hinsicht kalte Füße bekommen haben — beides mag 
zutreffen. 
Anfang 1891 kam Warken mit Heinrich Eisenacher in Kontakt, der seit den 70er Jahren 
Spekulationsgeschäfte mit Druckereien im deutschen Süd westraum betrieb, 1889 auch 
die ,,Dudweiler Zeitung“ gegründet hatte und in Druckerkreisen als äußerst unseriös 
galt21. Möglicherweise geködert durch eine hohe Gratifikation ließ sich Warken am 9. 
März 1891 von Eisenacher eine komplette Druckereieinnchtung zu dem horrenden 
Preis von 17000 M. andrehen22. Als der RSV mit den Ratenzahlungen in Rückstand ge¬ 
riet, veröffentlichte Eisenacher im Juni 1891 das Flugblatt,,Bergleute! Wo kommen eu¬ 
re Groschen in Bildstock hin? — oder die Augen offen und die Taschen zu/<<23, in dem 
er allerhand Details aus Warkens Privatleben ausplauderte und damit dessen Ruf als 
,,Ehrenmann“ einen gehörigen Knacks versetzte. 
Bei der Auswahl Peter Brauns als Redakteur griff der RSV auf einen alten Bekannten 
zurück: Braun, 1864 in Wittlich geboren, arbeitete seit Juni 1887 als Redaktionssekre¬ 
tär in der „Paulinus“-Druckerei, hatte mit Dasbach im Juli 1889 das Saarrevier bereist 
16 Vgl. Heitjan, S. 109, 118. 
17 BM Forster/Friedrichsthal an SA Hepner/SB vom 27. 10. 1889, KrASB S/4a. 
18 SZ vom 29. 10. 1889 (Nr. 253). 
19 Unterkeller an BM/Dudweiler vom 9. 10. 1890. Die ,,Nachweisungen der Zeit- und Flug¬ 
schriften“ vom 10. 12. 1889, 4. 12. 1890 und 1. 12. 1891 führen die „Dudweiler Zeitung“ als 
,,parteiloses Blättchen“, SADU, F 30, Nr. 5. 
20 BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 3.3, 1890, SAFR, Best. RSV, 196 f. SZ vom 4. 3. 1890 
(Nr. 53). Auch eine Dudweiler Bergarbeiterversammlung am 6. März stimmte für Unterkel¬ 
ler, vgl. SZ vom 8. 3. 1890 (Nr. 57). Eine RSV-Vertrauensmännerversammlung am 20. Januar 
1891 erneuerte den Beschluß für eine eigene Zeitung, vgl. Gendarm Thalheim an BM Förster/ 
Friedrichsthal vom 21. 1. 1891, SAFR, Best. RSV, 316 — 318. Gleichzeitig propagierte War¬ 
ken: „Uber die Saarbrücker Zeitung und die Saar- und Blies-Zeitung müsse die Sperre ver¬ 
hängt werden“, BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 7. 1. 1891, ebd., 306 f., Zitat S. 307. 
Ähnlich Berwanger am 18. Januar 1891, vgl. Nachrichten-Anzeiger der Bürgermeisterei 
Friedrichsthal-Bildstock vom 19. 1. 1891 (Nr. 15). 
21 SZ vom 23. 6. 1891 (Nr. 143). Eisenacher an BM/Dudweiler vom 19. 7. 1889, SADU, F 30, 
Nr. 5. Schlägel und Eisen vom 23. 6. 1891 (Nr. 63). 
22 Erklärung Eisenachers in SZ vom 12. 6. 1891 (Nr. 134) und SJZ vom 12. 6. 1891 (Nr. 134). 
BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 21. 5. 1891, Konzept SAFR, Acta RSV, Abschrift 
LHAK 442/4380. SZ vom 29. 6. 1891 (Nr. 148). Imbusch, S. 387. 
23 Abgedruckt in SZ vom 19. 6. 1891 (Nr. 140). 
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