satz verfahrenen Sache in die Hand nehmen und auf einen ähnlichen Solidarisierungsef¬
fekt wie 1889 hoffen ? Oder sollte man den geordneten Rückzug antreten, damit aber das
Risiko eingehen, das Organisationsprestige einzubüßen? Auf einer Versammlung in
Quierschied am 20. Mai sprachen sich beispielsweise Bachmann und Nieser gegen ei¬
nen Ausstand aus, da sie international noch ungenügend organisiert seien27. Am selben
Tag setzte Berwanger in Elversberg einen Streikbeschluß durch, der am nächsten Tag
jedoch folgenlos blieb28; genauso erging es in Dudweiler29. In Altenwald, Sulzbach
und Püttlingen hingegen wirkten die Entlassungen der Vertrauensmänner in der Wo¬
che zuvor als zündender Funke. Ebenfalls am 20. Mai entschied man sich hier einstim¬
mig zur Arbeitsniederlegung, betrachtete diesen Schritt jedoch mehr als Versuchsbal¬
lon; mittags wisse man ja, ob andere Inspektionen mitziehen, meinte Thome30.
Am 21. Mai 1891 traten daraufhin 1397 Bergleute der Inspektionen II und V ln den
Ausstand31. Die Bergwerksdirektion war bereits am 9. Dezember 1890 durch Ber¬
lepsch ermächtigt worden, im Falle eines Streiks sofort eine Bekanntmachung zu erlas¬
sen, „daß alle Bergleute, welche nicht hinnen 3 Tagen die Arbeit wieder aufnehmen,
abgelegt seien und die Abkehr erhalten würden“32. Gustav von Velsen (1847— 1923),
seit März 1891 neuer Vorsitzender der Bergwerksdirektion ’3, machte von dieser Mög¬
lichkeit bereits am 21. Mai Gebrauch34 35. Auch das Vereinsorgan ,,Schlägel und Eisen“
warnte jetzt: „Wir können nur dringend wünschen, daß die Leute zur Arbeit zurück¬
kehren, und daß der Ausstand nicht weiter um sich greift . . . Die Zeit zum Streiken ist
durchaus schlecht gewählt. Denn wir haben heuer eine Zeit des wirtschaftlichen Nie¬
dergangs. ln solchen Zeiten darf sich der Arbeiter nicht zum Streiken hergeben . . . Die
Bergleute sollen augenblicklich, wie wir wiederholt gezeigt haben, sich innerlich festi¬
gen. Sie sollen für gefüllte Kassen, für eine Organisation sorgen, die, sobald ein Streik
Aussicht auf Erfolg hat, ihn mit Siegesgewißheit unternehmen kann“iS.
Der Ausstand blieb auf die Inspektionen Gerhard und Sulzbach beschränkt. Auf sei¬
nem Höhepunkt, dem 22. Mai, beteiligten sich 2498 Bergleute — gerade 40% der bei¬
den Belegschaften36. Am folgenden Tag kam es zu Zusammenstößen zwischen der
Gendarmerie und Streikenden aus dem Sulzbachtal, die die Bergarbeiter der Grube
27 Gemeindevorsteher Strauß/Quierschied an BM/Heusweiler vom 21. 5. 1891, Abschrift
LHAK 442/4380. Ähnlich in Wehrden am 24. Mai 1891, vgl. PK Jerusalem/VK an LR vom
25. 5. 1891, KrASB S/10, Abschrift LHAK 442/4380. Auch Warken äußerte sich am 31. Mai
1891 in Bildstock in diesem Sinn, vgl. BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 8. 6. 1891, Kon¬
zept SAFR, Acta RSV, Ausfertigung KrASB S/10, Abschrift LHAK 442/4380.
28 PK Pritzlaff an BM Ludwig/NK vom 21. 5. 1891, Abschrift LHAK 442/4380. LR Tenge/
OTW an RP vom 22. 5. 1891, ebd.
29 PK Wetzel an BM Petermann/Dudweiler vom 21. 5. 1891, Abschrift ebd.
30 BM Woytt/Sulzbach an LR vom 21. 5. 1891, Gendarm Hübner an Woytt vom 20. 5. 1891, PK
Werbelow an Woytt vom 21.5. 1891, Abschriften ebd.
31 SZ vom 21. 5. 1891 (Nr. 115). RP Heppe/Trier an IM vom 24. 5. 1891, LHAK 442/6390. E.
Müller, S. 60.
32 Nasse/BWD an LR/SB vom 29. 12. 1890, KrASB S/3.
33 Vgl. Faus, 2. Teil, S. 91-93.
34 Bekanntmachung abgedruckt bei Imbusch, S. 385.
35 Zit. in SZ vom 23. 5. 1891 (Nr. 177). Redakteur Braun richtete sich hier nach einem Brief Be¬
bels an ihn vom 1. Mai 1891, in dem dieser den Streik als ,,höchst unbesonnen“ bezeichnet hat¬
te, Original LHAK 442/6221, 263 — 265, Zitat S. 263.
36 SZ vom 22. 5. 1891 (Nr. 116). E. Müller, S. 60, gibt für diesen Tag lediglich die Streikzahl
von Inspektion II an. Ende März 1891 arbeiteten 3 573 Mann auf Inspektion II, 2 638 auf In¬
spektion V. Vgl. die Belegschaftsaufstellung nach Inspektionen und Grubenabteilungen
LHAK 442/4380.
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