Werksdirektion ,,aus Opportunitätsgründen“ mit Entlassungen ,,vorläufig“ zurück47.
Erst im Zusammenhang mit den Anschlußbestrebungen an einen nationalen Bergarbei¬
terverband kam es im Oktober und November zu einer Entlassungswelle: 47 Bergleute
wurden nun abgelegt. ,,Fortgesetzte Agitation, Beamtenbeleidigung“ und vorzeitige
Ausfahrt waren die am häufigsten genannten Gründe48; in einer Reihe von Fällen be-
zeichnete man aber auch explizit die Tätigkeit als Vertrauensmann der RSV als Entlas¬
sungsursache49 50, Bereits im Sommer 1889 hatte die Bergwerksdirektion das Bergfest als
Strafe für den Kontraktbruch abgesetzt, den größten Teil der Bergkapellen aufgelöst
und die an Streikende bereits verlosten Bauprämien zurückgezogen30. Spätestens im
Oktober untersagte sie jegliche Verhandlung mit dem RSV, um ihn nicht als Beleg¬
schaftsvertretung anzuerkennen51 53. Gleichzeitig mutmaßte man wiederum, der Verein
,,stehe unmittelbar unter sozialdemokratischer Beeinflussung“^1, und Oberbergrat
Nasse forderte von Maybach: ,,Die strengste Überwachung des Rechtsschutzvereins
und, sobald irgend möglich, die gänzliche Auflösung desselben durch die Staatsregie¬
rung aus Anlaß seines wachsenden politischen Treibens dürfte daneben von ersprießlich¬
ster Wirkung auf die Wiederherstellung geordneter Zustände im diesseitigen Bezirke
sein“51. Für diesen Repressionskurs fand die Bergwerksdirektion bei den Saarindu¬
striellen vollste Unterstützung. Die Vorstände der beiden wirtschaftlichen Vereine be¬
schlossen am 17. Dezember, ,,daß die Aufrechterhaltung der Disziplin im Verhältnis
der Bergarbeiter zu ihren Vorgesetzten mit aller Energie gesichert werden müsse und
die Industrie bereit sei, die aus den hierzu notwendigen Maßnahmen sich ergebenden
Folgen zu tragen“54. Man nahm also auch den aus einem Streik resultierenden Kohlen¬
mangel in Kauf, wenn nur der RSV zerschlagen würde.
Nach dem Vorbild des Ruhrgebiets33 wurden Anfang 1890 für die Kreise Saarbrücken
und Ottweiler zwei spezielle Gendarmeriedetachements für den Fall neuer Bergarbei¬
terstreiks gebildet, um die ,,Nothwendigkeit der Anrufung der Hülfe des Militairs
möglichst auszuschließen“55 56. Noch während des Mai-Streiks regte Bürgermeister Mey¬
47 Nasse/BWD an MÖA vom 9. 11. 1889, LASB 564/770, 39-43, Zitate S. 40.
48 Undatierte Nachweisung der BWD über die Entlassungen von Juni bis November 1889, ebd.,
52 — 54. Einzelnachweisungen der Berginspektionen vom 17. 12. 1889, ebd., 99-131.
49 Vgl. Beleidigungsprozeß, S. 17, 19, 22. BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 31. 10, 1889,
SAFR, Best. RSV, 143 — 147, spez. S. 143 f. Auch die Strafkammer des Saarbrücker Landge¬
richts befand am 1. März 1890: ,,Was den beschuldigten Thome betrifft, so beruht dessen Äu¬
ßerung, Bergrath Leybold habe ihm ein Schreiben vorgelegt zum Unterschreiben, um ihn
mundtot zu machen und er sei abgelegt worden, weil er aas nicht gethan, zufolge der Begrün¬
dung des Bergraths Leybold, er habe dem Thome auf Veranlassung der Bergwerksdirektion ein
Schreiben vorgelegt, wonach er mit Ablegung bestraft werde, falls er fernerhin als Delegirter
der Bergleute in Beschwerdesachen auftrete und daß derselbe abgelegt worden sei, weil er die¬
ser Verwarnung nicht nachgekommen sei, auf Wahrheit“. Urteilsabschrift LASB, 564/770,
315 — 320, Zitat S. 318 f.
50 O. H. Werner, S. 72. Korb, S. 149. SJZ vom 9. 7. 1889 (Nr. 157). Bebel zitierte einen
entsprechenden Ablehnungsbescheid am 24. Februar 1891 im Reichstag, Berlepsch bezeichne-
te dieses Vorgehen daraufhin als ,,vollständig korrekt“, RT-Protokolle, 8. LP, 1. Sess. 1890/
91, Bd. 3, S. 1682, 1686.
51 Marginalie Nasse und Hinckeldey/BWD vom 19. 10. 1889, LASB 564/715, 298.
52 SA Hepner/SB an OSA Hamm/Köln vom 25. 10. 1889, Abschrift LHAK 403/7028, 85 — 91.
53 Nasse/BWD an MÖA vom 3. 10. 1889, Abschrift LHAK 442/6390. Auch das Oberbergamt
Bonn ,,teilte diese Bedenken“, E. Müller, S. 53.
54 SGB vom 22. 12. 1889 (Nr. 51).
55 ,,Übersicht über die designirten Detachements für die Kohlengebiete“ vom 28. 4. 1890, KrASB
S/3. Vgl. Tenfelde: Gewalt und Konfliktregelung, S. 217.
56 IM Herrfurth an OP/Koblenz vom 22. 10. 1889, Abschrift LHAK 442/6390. IM Herrfurth
an RP/Trier vom 14. 1. 1890, Abschrift KrASB S/3. Vgl. Seeber/Wittwer, S. 449.
163