des Vereinsgesetzes zu gewinnen“24. Doch die Einleitung eines Strafverfahrens schei¬
terte daran, daß der Verband an der Ruhr zu diesem Zeitpunkt noch nicht als politi¬
scher Verein behandelt wurde25.
Versammlungen mußten 24 Stunden vorher angemeldet werden. Polizisten und Bür¬
germeister hatten als Überwachungsorgane Zutritt. Jeder Redner, jedes gesprochene
Wort wurde protokolliert; mit der ersten Post am nächsten Tag ging der Bericht an den
Landrat, der in Verbindung mit der Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Relevanz
prüfte26. Wenn ,,Anträge oder Vorschläge erörtert werden, die eine Aufforderung oder
Anreizung zu strafbaren Handlungen enthalten“, mußte die Versammlung laut § 5
aufgelöst werden. Zudem wurde es für die Bergarbeiter seit Oktober 1889 immer
schwieriger, Versammlungssäle zu finden, da sich vor allem die Wirte der Saarstädte
nunmehr weigerten, ihre Lokale zu vermieten bzw. die Zusage im letzten Moment
rückgängig machten. Inwieweit dies ,,lediglich aus dem freien Entschluß der betreffen¬
den Wirte hervorgegangen ist“27, wie der Regierungspräsident auf eine Beschwerde
Warkens antwortete, ist zweifelhaft. Die Behörden konnten über die Erteilung der
Tanzerlaubnis, die Ansetzung öffentlicher Termine in den Lokalen und die Kontrolle
der Polizeistunde Druck auf die Wirte ausüben28; zumindest der Malstatt-Burbacher
Bürgermeister Meyer gab auch offen zu, daß ,,auf (s)ein Hinwirken hin“ Saalvermie¬
tungen rückgängig gemacht worden seien29. In jedem Falle aber waren die Polizeiorga¬
ne seit Herbst 1889 mit Versammlungsauflösungen schnell bei der Hand. Wegen „auf¬
reizender Reden“ oder „respektloser Äußerungen“ brachen die Behörden in den näch¬
sten Monaten Versammlungen in Bildstock30, Schiffweiler31, Neunkirchen32, Heiligen¬
wald33, Wahlschied34, Neumünster35, Urexweiler36, Sulzbach37, Püttlingen38, Dud-
24 RP Pommer-Esche/Trier an IM vom 18. 10. 1889, LHAK 442/4138. Vgl. BM Forster/Fried-
richsihal an SA Hepner/SB vom 27. 10. 1889, Kr ASB S/4a. Die Idee entstand während einer
Konferenz des Regierungspräsidenten mit Oberbergrat Nasse am 12. Oktober.
25 LR zur Nedden/SB an RP vom 22. 12. 1889, KrASB S/4a.
26 LR zur Nedden/SB an Warken vom 21. 10. 1889, Abschriften LHAK 442/4138 und SAFR,
Best. RSV, 136. IM Herrfurth an RP/Trier vom 14. 12. 1889, Abdruck LASB, Dep. BMA
Sulzbach, F 68, Nr. 1, 26 — 28. LR Bake/SB an die Kreisbürgermeister vom 3.1. 1892, ebd.,
38. Vgl. Harro-Jürgen Rejewski: Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beam¬
tenrecht 1850 — 1918, Berlin 1973. Lysbeth W. Muncy: The Prussian Landräte in the last
years of the Monarchy: A case study of Pommerania and the Rhineland in 1890 — 1918, in:
Central European History 6 (1973), S. 300 — 337.
27 RP Pommer-Esche/Trier an Warken vom 28. 1. 1890, Abschrift KrASB S/10. Abschrift der
undatierten Beschwerde Warkens an den OP, ebd.
28 Vgl. Saul: Der Staat und die „Mächte des Umsturzes“, S. 307.
29 BM Meyer/Malstatt-Burbach an LR vom 19. 12. 1892, KrASB S/7.
30 BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 31. 10. 1889, SAFR, Best. RSV, 143 — 147. Beschwerde
des RSV-Vorstandes an LR/SB vom 19. 1. 1891, KrASB S/10. Bescheid LR zur Neddens vom
21. 1. 1891, Abschrift LHAK 442/4254. Als Förster am 6. Januar 1891 im Kron’schen Saal ei¬
ne Ausmessung nach Quadratmetern vornahm und hunderte von Bergleuten vor die Tür ver¬
wies, schrieb dieSJVZvom 7. 1. 1891 (Nr. 5) treffend: „Mag auch der Herr Bürgermeister der
Ansicht sein, nur dem Gesetz zu seinem Rechte verholfen zu haben, die Bergleute faßten diese
Art Anwendung gesetzlicher Vorschriften als neue Unterdrückung auf‘.
31 BM Bettingen/Scniffweiler an LR vom 28. 10. 1889, Abschrift LHAK 442/4138. Gendarm
Luban an BM Bettingen/Schiffweiler vom 7. 3. 1890, Abschrift LHAK 442/4169.
32 SBZ vom 21. 12. 1889 (Nr. 297). LR Tenge/OTW an RP vom 12. 10. 1890, LHAK 442/4254.
33 Oberwachtmeister Stephan an LR/OTW vom 30. 3. 1890, Abschrift LHAK 442/4169.
34 BM Cloos/Heusweiler an LR vom 8. 9. 1890, Abschrift LHAK 442/4304, 357 — 359.
35 Oberwachtmeister Stephan an LR/OTW vom 13. 10. 1890, Abschrift LHAK 442/4254.
36 BM Collet/Alsweiler an LR vom 9. 12. 1890, Abschrift ebd. Selbst das Innenministerium hielt
diese Auflösung für „nicht gerechtfertigt“, vgl. IM Herrfurth an RP/Trier vom 23. 5. 1891,
Abschrift KrASB S/3.
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