7 Die Parallelgründungen
7.1 Der „Rechtsschutzverein für die Bergleute der Grube St. Ingbert“
Im Gegensatz zu den Privatgruben im saarpfälzischen Raum kam es auf den bayrischen
Staatsgruben St. Ingbert und Mittelbexbach im Mai 1889 nicht zum Ausstand. Die
Löhne lagen hier niedriger als auf den preußischen Saargruben, aber höher als auf der
Privatgrube Frankenholz: Auf Grube St. Ingbert verdiente 1889 ein Hauer 3,60 M., ein
Schlepper 2 M. pro Schicht. Die Arbeitszeit betrug einschließlich Ein- und Ausfahrt 10
bis 12 Stunden. Auch hier waren die Türen der Steigleitern in den Fahrschächten ver¬
schlossen. ,,Die Arbeiter fühlen sich dadurch als Gefangene behandelt“, stellte der
Zweibrücker Bezirksamtmann Dr. Emil von Schlagintweit im Mai 1889 fest. Das
,,Nullen“ von Kohlenwagen war nicht gebräuchlich, wohl aber Geldstrafen sowie die
Ablegung bei öffentlicher Ruhestörung und unehrenhaften Vergehen1. Die Belegschaft
rekrutierte sich durchgängig aus dem umliegenden Bliesgau. Der Übergang zum Klein¬
bauern war fließend. Entsprechend brauchte man hier erst 1905 zum Prämienhausbau
nach preußischem Muster überzugehen2.
,,Auf den Staatsgruben St. Ingbert und Mittelbexbach zeigte sich zwar unter den Berg¬
leuten eine gewisse Erregtheit, doch kam es daselbst in Folge der humanen Behandlung
der Bergleute und einiger, durch die Umstände gebotener Concessionen nicht zum Aus¬
bruche eines Ausstandesberichtete Bergrat Höchstetter am 24. Juni 1889 nach Mün¬
chen3. Die bayerische Grenzgendarmerie wurde während des Streiks auf den preußi¬
schen Saargruben verstärkt, für den beliebten Versammlungsort Schnappach setzte
Schlagintweit die Polizeistunde auf 21.00 Uhr herab. Eine Besprechung mit den
Knappschaftsältesten der Grube St. Ingbert am 20. Mai entschärfte die Situation. Jün¬
gere Bergleute meldeten zwar für den 30. Mai eine Versammlung in St. Ingbert an,
doch diese unterblieb auf Zureden älterer Kameraden4.
Ende 1889 griff die Bergarbeiterbewegung auch auf Grube St. Ingbert über: Am 18.
Dezember verweigerte die Belegschaft zunächst die Anfahrt, da die Schichtenzahl und
damit der Lohn herabgesetzt worden war. Erst als die Knappschaftsältesten verspra¬
chen, die Beschwerden vorzubringen, begaben sich die Bergleute an die Arbeit5. Am
28. Januar 1890 verhandelten die Knappschaftsältesten Karl Kaiser und Philipp Bösche
mit Bergmeister Günther. Sie forderten ein Gedinge von 4,50 M. bei fleißiger Arbeit,
einen Schichtlohn von über 3 M., keine Rückkehr zur 11-Stunden-Schicht sowie Seil¬
fahrt für jeden, da die Mittagschichtler nachts 1400 Leiterstufen hochsteigen müßten.
Günther lehnte ab; auch eine Intervention bei Bezirksamtmann Schlagintweit blieb er¬
1 Bezirksamtmann Schlagintweit/ZW an RP/Speyer vom 17, 5, 1889, LASP H 3/1867. Vgl. die
Lohntabellen für St. Ingbert und Mittelbexbach bei Kluding, S. 269.
2 Zu den Arbeiterverhältnissen auf den saarpfälzischen Staatsgruben vgl. Kluding, S.
261 -282.
3 BR Höchstetter/ZW an OBA/München vom 24. 6. 1889, LASP N 1/235.
4 Bezirksamtmann Schlagintweit/ZW an RP/Speyer vom 23. 5., 24. 5., 25. 5. und 2. 6. 1889,
LASP H 3/1867. Uber die Predigt des Speyerer Bischofs Josef Georg von Ehrler anläßlich der
Firmung in St. Ingbert schrieb die SZ vom 28. 5. 1889 (Nr. 123): „Nicht einmal, nein, drei-
oder noch mehreremale ermahnte, ja bat er die Bergleute, nur ja sich nicht zu Ungesetzlichkei¬
ten hinreißen zu lassen. Die schöne Rede wurde von den Bergleuten mit dreimaligem jubeln¬
dem , Glück auf erwidert“.
5 Gendarmeriestation IGB an Gendarmeriekompagnie der Pfalz/Speyer vom 19. 12. 1889,
LASP H3/1867.
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