Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

stellen, indem man das Neue nach den Wertkategorien des Alten formte und ordne- 
te“y4b, sollte sich als roter Faden durch die Geschichte der Bergarbeiterbewegung an 
der Saar ziehen. 
4.2 Die Ergebnisse der Untersuchungskommission 
,,In dieser vom ,aufgeklärten Absolutismus‘ noch einmal befestigten, von keiner bür¬ 
gerlichen Revolution veränderten Staatstradition mit ihrer ,Wohlfahrts-‘ und ,Polizei¬ 
politik1 wurden auch Dispositionen gespeichert, die eine moderne Intervention begün¬ 
stigten“1. Diese Feststellung Flans-Ulrich Wehlers trifft insbesondere auf die aus preu¬ 
ßisch-konservativem Denken stammende Einrichtung einer Untersuchungskommis¬ 
sion zu, die von dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Berlepsch am 14. Mai 1889 
vorgeschlagen' und durch einen Erlaß Maybachs und Herrfurths am 25. Mai angeord¬ 
net wurde3. 
Doch als die konservative ,,Kreuz-Zeitung“ am 16. Mai mißbilligend feststellte, daß 
,,der Bergbehörde die mißliche Lage der Arbeiter in Westfalen ganz entgangen sein 
müsse“4, antwortete das Oberbergamt in scharfem Ton, ,,daß eine mißliche Lage der 
Bergleute im Sinne der,Kreuz-Zeitung' nicht bestanden hat und infolge dessen auch der 
Bergbehörde nicht hat entgehen können“5. In der Öffentlichkeit entstand somit der 
Eindruck, daß das Ergebnis der Untersuchung bereits feststehe6. Dieses Mißtrauen 
verstärkte sich noch durch die Besetzung der Kommissionen, da Bergbehörde und lo¬ 
kale Verwaltungsbeamte mit der Durchführung der Enquete beauftragt wurden. Die 
Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses stand nicht zur Debat¬ 
te7, ebensowenig die von den drei Kaiser-Delegierten geforderte Hinzuziehung von 
Bergarbeitern8. Die beauftragten Bergbeamten handelten somit als Richter in eigener 
Sache. 
Zwar sollte jeder Arbeiter, der eine Beschwerde Vorbringen wollte, protokollarisch ge¬ 
hört werden9. Doch Landrat zur Nedden, Bergrat Follenius und Assessor Steinbrinck 
vom Oberbergamt Bonn - die für die Saargruben zuständigen Untersuchungsbeamten - 
beschränkten sich auf die Vernehmung von 11 Bergleuten, darunter Warken, Berwan- 
ger und Müller10. Auch die Recherchemethoden waren zweifelhaft: Man verzichtete 
146 Tenfelde: Sozialgeschichte, S. 397. 
1 W e h 1 e r : Der Aufstieg des Organisierten Kapitalismus und Interventionsstaates in Deutsch¬ 
land, S. 45. 
2 RP Berlepsch/Düsseldorf an OP vom 14. 5. 1889, HStAD, Best. Reg. Düsseldorf, Präsidial¬ 
registratur 35/26 II. 
3 Kirchhoff, S. 75. 
4 Kreuz-Zeitung vom 16. 5. 1889 (Nr. 226). 
5 Rheinisch-Westfälische Zeitung vom 7. 6. 1889 (Nr. 157) Ähnlich Glückauf/Essen vom 8. 6. 
1889 (Nr. 46). 
6 Vgl. Imbusch, S. 298 f. Ko c h , S. 42 f. K i r c h h o f f, S. 75 f. 
7 Vgl. Max Quarck : Die preußische Bergarbeiterenquete vom Jahre 1889, in: Archiv für so¬ 
ziale Gesetzgebung und Statistik 3 (1890), S. 162 — 179, spez. S. 163. 
8 Eingabe vom 21. 6. 1889, vgl. Kirchhoff, S. 76. 
9 Reichs- und Staats-Anzeiger vom 16. 7. 1889 (Nr. 166). 
10 Nasse/BWD an OBA vom 11. 11. 1889, LASB 564/770, 27 f. Vgl. Antwortschreiben der 
Berginspektionen, ebd., 29 — 34. Auch Dasbach, seit 11. November 1889 Mitglied des Land¬ 
tags für den Wahlkreis Hünfeld-Gersfeld, kritisierte, daß „der Untersuchungskommission 
nicht alle Quellen zu Gebote gestanden haben“, LT-Protokolle, 17. LP, 2. Sess. 1889/90, Bd. 
2, S. 671. 
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