Da die Bergwerksdirektion die Legitimation des Streikkomitees bestritt und statt des¬
sen in traditioneller Weise mit den Knappschaftsältesten verhandelte112 113, wandte sich
der ,, Vorstand der streikenden Bergleute“ am 28. Mai telegrafisch an den Kaiser und
bat nach westfälischem Vorbild um die ,,Anhörung einer Deputation“"2. Auf Anraten
Nasses114 115 lehnte Wilhelm II. jedoch am 30. Mai einen Empfang ab und verwies auf die
,,zuständigen Vorgesetzten Behörden“"^. Doch zu diesem Zeitpunkt war bereits eine
aus Warken, Dehmelt und Stemmerich bestehende Delegation unterwegs nach Ber¬
lin116. Der Hof blieb jedoch für sie verschlossen, auch Minister Maybach ließ sich nicht
sprechen. Enttäuscht reiste die Delegation am 2. Juni zurück ins Saarrevier117.
Unter dem Eindruck dieses Mißerfolgs ging die Zahl der Streikenden am 31. Mai erst¬
mals stark zurück. Sie sank auf 7062 Mann118, nachdem eine Versammlung in Gui-
chenbach am 29. Mai das Ende der Arbeitsniederlegung auf Von der Heydt beschlos¬
sen hatte119. Nunmehr folgte die Bergwerksdirektion Stumms Ratschlag zu „energi-
scbe(m) Vorgehen“'2" und richtete am 2. Juni an die Ausständischen ein Ultimatum zur
Arbeitsaufnahme121. Am Montag, dem 3. Juni 1889, fuhren die Belegschaften wieder
vollständig an122.
Im Gegensatz zum Ruhrgebiet und Oberschlesien wurde die Bewegung ,,keineswegs
von den Schleppern und sonstigen jugendlichen Arbeitern angeregt“, sondern ,,von den
älteren Bergleuten . . . Die Wohnbevölkerung des hiesigen Bezirks, namentlich der
evangelische Theil, verhielt sich dabei am stillsten“. Nicht nur der Friedrichsthaler
Bürgermeister Philipp Förster123 mutmaßte darum, daß ,,die Bewegung von ultramon¬
taner Seite gefördert“ wurde124 125.
Doch diese Unterstellung entsprang lediglich den im Kulturkampf gewachsenen Äng¬
sten vor einer Verknüpfung von sozialen, konfessionellen und politischen Proble-
men12\ Die Pfarrer Wolff in Püttlingen und Didier in Altenkessel trugen wesentlich
112 Undatierte Aktennotiz LR zur Nedden/SB, Kr ASB S/l.
113 BM Forster/Friedrichsthai an LR vom 29. 5. 1889, SAFR, Best. RSV, 27. Abschrift des Tele¬
gramms vom 28. 5. 1889, ebd., 37 und KrASB S/2. Abgedruckt bei Besch, S. 78 f.
114 LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 5. 1889, KrASB S/2.
115 Dto. vom 30. 5. 1889, ebd. RP Pommer-Esche/Trier an Warken vom 31. 5. 1889, Abschrif¬
ten ebd. u. SAFR, Best. RSV, 36.
116 Stapenhorst/BI IX an BWD vom 30. 5. 1889, Abschrift KrASB S/2. BM Forster/Friedrichs¬
thai an LR vom 30. 5. 1889, ebd.
117 Kriminalkommissar Göttlich/Berlin an LR/SB vom 3. 6. 1889, ebd. LR zur Nedden/SB an
RP vom 5. 6. 1889, ebd. Polizeipräsident Richthofen/Berlin an LR/SB vom 21.6. 1889, ebd.
118 Bgmfr. vom 7. 6. 1889 (Nr. 24). LR zur Nedden/SB an RP vom 31. 5. 1889, KrASB S/2.
119 BM Speicher/Riegelsberg an LR vom 31. 5. 1889, KrASB S/2. Versammlungen in Püttlingen
am 30. Mai und Altenkessel am 31. Mai lehnten einen Streik auf Inspektion Gerhard ab, vgl.
BM Pickard/Püttlingen an LR vom 31. 5. und 1. 6. 1889, ebd.
120 LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 5. 1889, ebd.
121 Nasse/BWD an LR/SB vom 2. 6. 1889, ebd. E. Müller, S.51. K i e fe r : Organisationsbe¬
strebungen, S. 23, spricht statt dessen von einer „Verständigung zwischen den Werksdirekto¬
ren und Vertretern der Belegschaft“.
122 LR zur Nedden/SB an RP vom 3. 6. 1889, KrASB S/2.
123 Vgl. Wilhelm Schaetzing: Friedrichsthal-Bildstock. Eine geschichtliche Heimatkunde,
Saarbrücken 1926, S. 22.
124 BM Forster/Friedrichsthai an LR vom 2. 10. 1889, SAFR, Best. RSV, 115. Auch die entspre¬
chenden Berichte der Berginspektionen von Anfang Oktober 1889 unterstützten diese Aussa¬
ge, LASB 564/715, 258-282.
125 „Augenscheinlich verfolgte er (Dasbach, d. V.) dabei den Zweck, für die nächsten Wahlen
zum Reichstag für die Centrumspartei Stimmung zu machen“, berichtete RP Pommer-Esche/
Trier am 12. 7. 1889 an IM Herrfurth, LHAK 442/4138. Vgl. TLZ vom 13. 7. 1889 (Nr.
188).
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