Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904) (12)

es zu keinerlei Ausschreitungen. Man könne den Streikenden „nur das Zeugmß aus- 
steilen, daß sie sich — abgesehen von dem Contracthruch — musterhaft ruhig benom¬ 
men haben“'0i, resümierte Landrat zur Nedden am 5. Juni. 
Die Zahl der Ausständischen blieb in der ersten Streikwoche nahezu völlig konstant. 
Am 25. Mai befanden sich 11 376 Bergarbeiter im Ausstand, am 29. Mai waren es 
11 442, etwa 44% der Gesamtbelegschaft103 104. Das untere Saarrevier war vom ,,Streik¬ 
fieber“ noch nicht „inficiert“'05. Als beispielsweise ein handgeschriebener Anschlag 
auf Grube Serlo am 23. Mai Schichtherabsetzung und Lohnerhöhung forderte, rissen 
die Bergleute das Plakat empört ab106. Eine Klarenthaler Versammlung am 26. Mai gab 
sich damit zufrieden, daß Berginspektor Vogel die Abstellung der Beschwerden auf 
Grube Gerhard zusagte. „Das Fehlen des sog. Friedrichsthaler Programms, auf welches 
mit keiner Silbe zurückgekommen wurde, zeigt auch, daß die hiesige Bewegung spon¬ 
tan entstanden und auf fremde Einwirkung nicht zurückzuführen sein dürfte“'07 108. Eine 
von 9 000 Bergleuten besuchte Versammlung in Guichenbach am 23. Mai machte sich 
allerdings einige Forderungen des „Bildstocker Protokolls“ zu eigen; erstmals verlangte 
man auch die Abschaffung der Gedingeversteigerungen. Bergrat Klose von Inspektion 
Von der Heydt erklärte sich daraufhin zu Verhandlungen bereit und bezeichnete die 
Wünsche als „nicht übertrieben“'0*. 
Zwei Tage später verabschiedete die Bergwerksdirektion unter Vorsitz Huyssens einen 
Nachtrag zur Arbeitsordnung, der zwar keine neuen Zugeständnisse enthielt, aber die 
bisherigen Konzessionen fixierte109. Doch dieser Schritt wirkte sich als Bumerang aus. 
Als die neue Arbeitsordnung am 27. Mai verteilt wurde, legte ein Teil der Belegschaft 
von Kohlwald und König die Arbeit nieder110; am nächsten Tag verweigerten vier 
Fünftel der Von der Heydter Bergleute aus diesem Grunde die Anfahrt111. 
103 LR zur Nedden/SB an RP vom 5. 6. 1889, KrASB S/2. 
104 Bgmfr. vom 7. 6. 1889 (Nr. 24). Die Gesamtbelegschaft betrug Ende April 1889 25671 
Mann. Vgl. die Aufstellung nach Inspektionen und Grubenabteilungen in der Anlage LR zur 
Nedden/SB an RP vom 27. 5. 1889, KrASB S/l. 
105 Nasse/BWD an LR/SB vom 22. 5. 1889, KrASB S/l. 
106 BM Stürmer/VK an LR vom 23. 5. 1889, ebd. 
107 Dto. vom 26. 5. 1889, ebd. Ähnlich BM Mainz/Gersweiler an LR vom 27. 5. 1889, KrASB 
S/2. 
108 BM Speicher/Riegelsberg an LR vom 24. 5. 1889, KrASB S/l. SZ vom 25. 5. 1889 (Nr. 121). 
SJZ vom 25. 5. 1889 (Nr. 121). Vgl. Hans-Walter Herrmann: Riegelsberger Geschichte 
im bürgerlichen Zeitalter (19. und 20. Jahrhundert), in: Ortschronik Riegelsberg. Entstehung 
und Entwicklung einer modernen Wohngemeinde, Riegelsberg 1980, S. 132 — 206, spez. S. 
147-150. 
109 LR zur Nedden/SB an RP vom 26. 5. 1889, KrASB S/l. Als Flugzettel SAFR, Best. RSV, 24. 
Abgedruckt im Bgmfr. vom 7. 6. 1889 (Nr. 24). Gleichzeitig verbreitete die Bergwerksdirek¬ 
tion das Pamphlet „Katechismusfragen für streikende Bergleute“, in dem man die Streiken¬ 
den warnte, „das Huhn“ zu töten, „welches Dir die silbernen und goldenen Eier legt“, Ex¬ 
emplare KrASB S/2 und SAFR, Best. RSV , 34. 
110 LR zur Nedden/SB an RP vom 27. 5. 1889, KrASB S/l. Dieser Teilstreik auf Berginspektion 
VIII dauerte nur zwei Tage, vgl. dto. vom 29. 5. 1889, KrASB S/2. Auch auf Grube Fried¬ 
richsthal waren am 27. Mai arbeitswillige Bergleute „angetreten, aber nicht angefahren, da 
ihnen die Abänderung der Arbeitsordnung vom 25. d. Mts. nicht genügte“, BM Förster/ 
Friedrichsthal an LR vom 27. 5. 1889, Konzept SAFR, Best. RSV, 22, Ausfertigung KrASB 
S/2. Bachmann und Dehmelt erschienen sogar im Namen des Streikkomitees in der Berg¬ 
werksdirektion, um zu Protokoll zu geben: „Die neue Arbeitsordnung ist schlechter als die 
alte“, Aktennotiz LR zur Nedden/SB vom 28. 5. 1889, KrASB S/2. 
111 LR zur Nedden/SB an RP vom 28. 5. 1889, KrASB S/2. BM Cloos/Heusweiler an LR vom 
28.5. 1889, ebd. BM Speicher/Riegelsberg an LR vom 31. 5. 1889, ebd. Vgl. Brandt, S. 
60. 
109
	        
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