Stapenhorst, der Leiter der Friedrichsthaler Berginspektion, hatte bereits am 20. Mai
Warken zu sich zitiert und auf die Kaiserworte hingewiesen, daß eine Arbeitsniederle¬
gung ohne 14tägige Kündigung Kontraktbruch sei. ,,'Warken schied mit der Versiche¬
rung, daß er nunmehr nach Kräften die Arbeiter wieder beruhigen und zur Verhütung
eines Streiks wirken wolle“82. In der Tat schlugen Warken und der übrige Vorstand der
von 15 000 Bergleuten aller Inspektionen besuchten Bildstocker Versammlung am 22.
Mai eine Verlängerung der Bedenkzeit vor, doch sie wurden überstimmt. „Fast ein¬
stimmig“ beschloß man statt dessen, am nächsten Morgen „die Arbeit niederzulegen,
bis eine feste regelrechte Ordnung den Leuten gedruckt in die Hände gegeben wür¬
de“8'1’ . Dennoch wurde der bisherige Versammlungsvorstand wiedergewählt und durch
Johann Müller/Friedrichsthal, Heinrich Dehmelt/Michelsberg und Johann Stemme-
rich/Schiffweiler verstärkt84. Am 23. Mai traten daraufhin 11 500 Bergleute der Gru¬
ben Sulzbach, Altenwald, Maybach, Friedrichsthal, Heinitz, Dechen, Reden und It-
zenplitz in den Ausstand85. Sie erschienen zwar zum Verlesen in den Zechensälen, ver¬
weigerten aber die Anfahrt, als ihnen keine vollständige Erfüllung der Forderungen zu¬
gesichert wurde86.
Am selben Tag streikte auch die Belegschaft der westpfälzischen Privatgrube Steinbach
und verlangte eine Lohnerhöhung. Wegen „groben Ungehorsams und beharrlicher Wi¬
dersetzlichkeit“ legte die „Gewerkschaft Carl Bell“ alle Ausständischen für immer ab
und schloß die Grube. Auf Vermittlung Bergrat Höchstetters kamen dennoch Ver¬
handlungen zustande, die mit einer geringfügigen Gedingeaufbesserung abgeschlossen
wurden. Am 28. Mai fuhren die Steinbacher Bergleute wieder an87. Am 25. Mai traten
auch die 58 Arbeiter der benachbarten Grube Brücken in den Ausstand. Sie forderten
keine Verkürzung ihrer 12-stündigen Schicht, lediglich einen Lohnzuschlag von 12 %.
Nachdem man ihnen eine Erhöhung des Förderlohns von 4 Pfg. pro Zentner bewilligt
hatte, war der Streik am 31. März beendet88. Bei beiden Ausständen handelte es sich noch
um punktuelle Absprachen informeller Kleingruppen. Versammlungen fanden hier
nicht statt, Bestrebungen zu gewerkschaftlichen Zusammenschlüssen gingen nicht
daraus hervor89.
Zu den endogenen Ursachen dieser Streikwelle an der Saar kamen äußere Einflüsse hin¬
zu, die konfliktmobilisierend wirkten: Durch Vermittlung der beiden freisinnigen
Reichstagsabgeordneten Baumbach und Schmidt hatte Friedrich Hammacher, der Vor¬
sitzende des „Vereins für bergbauliche Interessen“, am 14. und 15. Mai mit den drei
Kaiser-Delegierten verhandelt90. Ergebnis war das „Berliner Protokoll“91, in dem den
82 Konferenzprotokoll der BWD vom 21. 5. 1889, Kr ASB S/l.
83 Stapenhorst/BI IX an BWD vom 22. 5. 1889, Abschrift ebd. Stenographische Mitschrift vom
22. 5. 1889, SAFR, Best. RSV, 13. BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 22. 3. 1889, KrASB
S/l. LR zur Nedden/SB an RP vom 22. und 23. 5. 1889, ebd. SJZ vom 24. 5. 1889 (Nr. 120).
84 Vgl. Personalbericht über Müller, SAFR, Best. RSV, 44. Zu Stemmerich und Dehmelt vgl.
■BM Argelander/Schiffweiler an BM/Friedrichsthai vom 1. und 3. 6. 1889, ebd., 31, 33.
85 LR zur Nedden/SB an Generalkommando 8. Armeekorps/Koblenz vom 23. 5. 1889, KrASB
S/l. Uber die Streikdauer auf den einzelnen Gruben gibt E. Müller, S. 48, völlig unzutref¬
fende Angaben.
86 Beigeordneter Wentzel/Friedrichsthal an LR vom 23, 5. 1889, SAFR, Best. RSV, 14.
87 Bell/Steinbach an BR Flöchstetter/ZW vom 26. 5. 1889 und Aktennotiz Höchstetters vom 27.
5. 1889, LASP N 1/235.
88 Bezirksamtmann Spöhrer/HOM an RP/Speyer vom 28. 5. und 2. 6. 1889, LASP H 3/1867.
Auch Kluding, S. 276, erwähnt den Brückener Streik, datiert ihn aber auf 1890.
89 RP Braun/Speyer an bayrisches IM vom 29. 5. 1889, LASP H 3/1867.
90 See b e r/Wi11w e r, S. 430 —433.
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