Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904) (12)

Dudweiler und Heinitz in Bildstock. Warken betonte, „daß die hiesigen Bergleute 
treue Unterthanen seien und sich durch etwaige Ausschreitungen keine Unehre machen 
dürften“72. Fast einstimmig verabschiedete man das aus zwölf Forderungen bestehende 
,,Bildstocker Protokoll“73: Gedingeverdienst von 4 M., Wegfall der ,,Einsperrungsthü- 
ren“ und des Sparzwangs sowie eine Milderung der Strafen. An erster Stelle aber stand 
die Forderung nach „achtstündige(r) Arbeitszeit mit Aus- und Einfahrt“, denn in der 
Ausdehnung der Schichtdauer war die Bergrechtsreform konkret erfahren worden als 
Einschränkung des kleinbäuerlichen Nebenerwerbs. Dagegen fehlte die Forderung 
nach Abschaffung der Gedingeversteigerung; die traditionelle Vorstellung vom wech¬ 
selhaften Bergmannsglück hatte sich noch nicht diskreditiert74. Das Protokoll sollte 
„den vorschriftsmäßigen Gang durchlaufend bis zu Sr. Majestät des Kaisers“ nehmen. 
,,Im Falle einer Nichtbewilligung dieses Antrags wird die Belegschaft nach gegebener 
Frist einstimmig ablegen“. Man drohte also nicht mit Streik, sondern mit kollektiver 
Einhaltung der Kündigungsfrist. 
Am 17. Mai berieten Bergwerksdirektion und Werksleiter über das „Bildstocker Proto¬ 
koll“ und versprachen eine Prüfung der Forderungen75. Gleichzeitig begann die Bewe¬ 
gung zögernd auf das untere Saarrevier überzugreifen: Am 19. Mai wurde eine illegale 
Versammlung von 300 Bergarbeitern der Grube Von der Fleydt in Guichenbach poli¬ 
zeilich aufgelöst76. Auf Grube Gerhard blieb es zwar noch ruhig, indes seien die Mi߬ 
stände hier dazu „geeignet, bei einer anderen Bevölkerung zu einem Ausstande zu füh¬ 
ren“77 , meldete der Völklinger Bürgermeister Stürmer. Am 21. Mai drohte eine von 
3 000 Mann besuchte Versammlung der Altenwalder Belegschaft erstmals mit Streik, 
falls das „Bildstocker Protokoll“ nicht am folgenden Tage vollständig erfüllt sei78. An 
diesem 21. Mai trat die Bergwerksdirektion in Anwesenheit von Oberberghauptmann 
August Huyssen (1824 — 1903)79 erneut zusammen80. Das Resultat war eine weitere Be¬ 
kanntmachung, in der man einem Teil der Forderungen nachgab: Die Schichtdauer be¬ 
trug nunmehr 10 Stunden, die Türen an den Tagesstrecken sollten in Zukunft offen 
bleiben, ,,Abzüge von den Föhnen zur Kreissparkasse nur freiwillig stattfinden“. Feste 
Normalsätze sollten die Gedingeversteigerung nach unten begrenzen. Gleichzeitig 
drohte man im Falle eines Streiks mit Entlassung81. 
72 BM Forster/Fnedrichsthal an LR vom 16. 5. 1889, Kr ASB S/l. LR zur Nedden/SB an RP 
vom 16. 5, 1889, ebd. SZ vom 16. 5. 1889 (Nr. 113),Vgl.Brandt, S. 55 f.Kiefer: Organi¬ 
sationsbestrebungen, S. 22. E, Müller, S. 47. Imbusch, S. 368 f. 
73 Hektographiertes Exemplar KrASB S/l. Abgedruckt in Denkschrift über die Untersuchung 
der Arbeiter- und Betriebsverhältnisse, S. 63 f. Kiefer: Organisationsbestrebungen, S. 
194 — 196. Imbusch, S. 700 f. H ue : Bergarbeiter, Bd. 2,S. 376 f. Wißmann, S. 26 — 28. 
j. Klein: Rechtsschutzverein, S. 44 f. 
74 ,,So ziehen wir hin und her in der Grube, jede Partie will auf der anderen ihren Platz“, kriti¬ 
sierte Freimuth, S. 2, dieses Verhalten. 
75 Bekanntmachung der BWD vom 17. 5. 1889, SAFR, Best, RSV, 1, sowie KrASB S/l. Eine 
Aufstellung der BWD-Mitglieder sowie der Leiter der einzelnen Inspektionen findet sich bei 
Haßlacher: Geschichtliche Entwicklung, S. 139. 
76 Gendarm Wirtz/Riegelsberg an LR vom 20. 5. 1889, KrASB S/l, Bergrat Klose von BI III sah 
darin eine ,,Nachahmung anderer Vorgänge“; die Forderungen seien in solcher Höhe gestellt 
worden, „daß hieraus auf den Nichtzusammenhang mit anderen Organisationen geschlossen 
werden kann“, Konferenzprotokoll der BWD vom 21. 5. 1889, ebd. 
77 BM Stürmer/VK an LR vom 17. 5. 1889, ebd. 
78 BM Woytt/Sulzbach an LR vom 22. 5. 1889, ebd. 
79 1884 - 1891 Leiter der preußischen Bergverwaltung, vgl. Beilage der ZBHS 51 (1903). 
80 Konferenzprotokoll der BWD vom 21. 5. 1889, KrASB S/l. 
81 Bgmfr. vom 27. 5. 1889 (Nr. 22) und SAFR, Best. RSV, 6. 
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