Dudweiler und Heinitz in Bildstock. Warken betonte, „daß die hiesigen Bergleute
treue Unterthanen seien und sich durch etwaige Ausschreitungen keine Unehre machen
dürften“72. Fast einstimmig verabschiedete man das aus zwölf Forderungen bestehende
,,Bildstocker Protokoll“73: Gedingeverdienst von 4 M., Wegfall der ,,Einsperrungsthü-
ren“ und des Sparzwangs sowie eine Milderung der Strafen. An erster Stelle aber stand
die Forderung nach „achtstündige(r) Arbeitszeit mit Aus- und Einfahrt“, denn in der
Ausdehnung der Schichtdauer war die Bergrechtsreform konkret erfahren worden als
Einschränkung des kleinbäuerlichen Nebenerwerbs. Dagegen fehlte die Forderung
nach Abschaffung der Gedingeversteigerung; die traditionelle Vorstellung vom wech¬
selhaften Bergmannsglück hatte sich noch nicht diskreditiert74. Das Protokoll sollte
„den vorschriftsmäßigen Gang durchlaufend bis zu Sr. Majestät des Kaisers“ nehmen.
,,Im Falle einer Nichtbewilligung dieses Antrags wird die Belegschaft nach gegebener
Frist einstimmig ablegen“. Man drohte also nicht mit Streik, sondern mit kollektiver
Einhaltung der Kündigungsfrist.
Am 17. Mai berieten Bergwerksdirektion und Werksleiter über das „Bildstocker Proto¬
koll“ und versprachen eine Prüfung der Forderungen75. Gleichzeitig begann die Bewe¬
gung zögernd auf das untere Saarrevier überzugreifen: Am 19. Mai wurde eine illegale
Versammlung von 300 Bergarbeitern der Grube Von der Fleydt in Guichenbach poli¬
zeilich aufgelöst76. Auf Grube Gerhard blieb es zwar noch ruhig, indes seien die Mi߬
stände hier dazu „geeignet, bei einer anderen Bevölkerung zu einem Ausstande zu füh¬
ren“77 , meldete der Völklinger Bürgermeister Stürmer. Am 21. Mai drohte eine von
3 000 Mann besuchte Versammlung der Altenwalder Belegschaft erstmals mit Streik,
falls das „Bildstocker Protokoll“ nicht am folgenden Tage vollständig erfüllt sei78. An
diesem 21. Mai trat die Bergwerksdirektion in Anwesenheit von Oberberghauptmann
August Huyssen (1824 — 1903)79 erneut zusammen80. Das Resultat war eine weitere Be¬
kanntmachung, in der man einem Teil der Forderungen nachgab: Die Schichtdauer be¬
trug nunmehr 10 Stunden, die Türen an den Tagesstrecken sollten in Zukunft offen
bleiben, ,,Abzüge von den Föhnen zur Kreissparkasse nur freiwillig stattfinden“. Feste
Normalsätze sollten die Gedingeversteigerung nach unten begrenzen. Gleichzeitig
drohte man im Falle eines Streiks mit Entlassung81.
72 BM Forster/Fnedrichsthal an LR vom 16. 5. 1889, Kr ASB S/l. LR zur Nedden/SB an RP
vom 16. 5, 1889, ebd. SZ vom 16. 5. 1889 (Nr. 113),Vgl.Brandt, S. 55 f.Kiefer: Organi¬
sationsbestrebungen, S. 22. E, Müller, S. 47. Imbusch, S. 368 f.
73 Hektographiertes Exemplar KrASB S/l. Abgedruckt in Denkschrift über die Untersuchung
der Arbeiter- und Betriebsverhältnisse, S. 63 f. Kiefer: Organisationsbestrebungen, S.
194 — 196. Imbusch, S. 700 f. H ue : Bergarbeiter, Bd. 2,S. 376 f. Wißmann, S. 26 — 28.
j. Klein: Rechtsschutzverein, S. 44 f.
74 ,,So ziehen wir hin und her in der Grube, jede Partie will auf der anderen ihren Platz“, kriti¬
sierte Freimuth, S. 2, dieses Verhalten.
75 Bekanntmachung der BWD vom 17. 5. 1889, SAFR, Best, RSV, 1, sowie KrASB S/l. Eine
Aufstellung der BWD-Mitglieder sowie der Leiter der einzelnen Inspektionen findet sich bei
Haßlacher: Geschichtliche Entwicklung, S. 139.
76 Gendarm Wirtz/Riegelsberg an LR vom 20. 5. 1889, KrASB S/l, Bergrat Klose von BI III sah
darin eine ,,Nachahmung anderer Vorgänge“; die Forderungen seien in solcher Höhe gestellt
worden, „daß hieraus auf den Nichtzusammenhang mit anderen Organisationen geschlossen
werden kann“, Konferenzprotokoll der BWD vom 21. 5. 1889, ebd.
77 BM Stürmer/VK an LR vom 17. 5. 1889, ebd.
78 BM Woytt/Sulzbach an LR vom 22. 5. 1889, ebd.
79 1884 - 1891 Leiter der preußischen Bergverwaltung, vgl. Beilage der ZBHS 51 (1903).
80 Konferenzprotokoll der BWD vom 21. 5. 1889, KrASB S/l.
81 Bgmfr. vom 27. 5. 1889 (Nr. 22) und SAFR, Best. RSV, 6.
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