Full text: Landesherr und Landesverwaltung

Der Präsident44 verteilte die Arbeit unter den Räten45, legte die Beratungs¬ 
gegenstände vor, ordnete Extrasitzungen an, ernannte Kommissionen46 und 
übte die Strafgewalt über die Räte aus. Die Räte hatten ihm ihre Berichte vorzu¬ 
legen, mußten ihm sofort anzeigen, wenn sie an der Teilnahme einer Sitzung 
verhindert waren47 und durften nur in seiner Gegenwart wichtige Dinge 
verhandeln48. Der Regierungspräsident hatte die Abstimmungen durchzu¬ 
führen und konnte die Beschlußfassung aufheben. Er übernahm die Präsidiai- 
pflichten in weit ausgedehnterem Maße als dies vergleichsweise der Hofmeister 
im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert getan hatte49. 
Als Vertreter des Präsidenten fungierte der älteste Rat50, nach 1775 der Kanz¬ 
leidirektor. Sie spielten im Regierungskollegium allerdings keine gewichtige 
Rolle. Zwar sollten sie den Präsidenten vertreten, aber es standen ihnen keiner¬ 
lei Disziplinarbefugnisse über die Räte zu. Sie verwalteten wie jeder Rat ein 
Departement und hatten nur das eine Vorrecht, in der Sitzung als erste ihr Vo¬ 
tum abzugeben und den Beschluß zu Protokoll zu diktieren. 
Der Charakter dieses Kollegiums änderte sich nur wenig gegenüber den frühe¬ 
ren Verhältnissen51, sein Schwerpunkt verblieb bei den bürgerlichen gelehrten 
Räten. Allerdings genügte das Studium nicht mehr allein, um Zutritt zur gelehr- 
44 Siehe zum folgenden Reglement, wornach sich die Regierungs- und Cammerbediente zu 
betragen vom 16. November 1746 (LA Speyer B 2, Nr. 4008, fol. 73-83'). 
45 Soll unser Präsident in Distribuirung der Arbeit, soviel es nach Beschaffenheit der vorkom¬ 
menden Sachen immer thunfich, eine Gleichheit beobachten [...] (siehe dazu § 3 des 
„Reglements"). Sollen die Referenten die ihnen von dem Präsidenten zur Ausarbeitung 
distribuirte Acta nach der Zeit, daß es ihme zugestellet worden, in behöriger Ordnung vor¬ 
nehmen, wobei aber diejenige[n] Sachen, welche den fürstlichen Staat regalia, Policey, 
peinlich Beklagte, Arrestirte, Witwen und Waisen, oder die sonsten keine moram leiden, 
betreffen, sowohl als wenn der Präsident eine Angelegenheit vorzunehmen erinnert, den 
Vorzug haben; wobei sich von Selbsten verstehet, daß die per modum Commissionis auf¬ 
getragene Geschäfte niemals erliegen zu lassen, sondern vor anders zu befördern seie, [...] 
(siehe dazu § 6 des „Reglements"). 
46 Die Kommission reichte ihre Relationen und Protokolle dem Regierungskollegium 
oder dem Kammerkollegium ein, da sie nur eine nach dem jeweüigen Verhältnis des 
Gegenstandes diesem Kollegium untergeordnete Stelle war. Dieses Verfahren war die 
Regel für diejenigen Kommissionen, welche für einzelne Fälle ernannt wurden, wenn 
die Sachlage eine eingehende Untersuchung erforderlich machte. Im Plenum refe¬ 
rierte regelmäßig der Rat, welcher zugleich Kommissionsmitglied war. In wichtigen 
Fällen stand ihm ein Korreferent zur Seite. 
47 Siehe dazu § 1 des „Reglements". 
48 Siehe dazu § 7 des „Reglements": Sobalde die sessiones ihren Anfang genommen, nicht 
anders einzumischen, noch ein Rat mit dem andern das mindeste zu discouriren hat [...]. 
49 Siehe dazu das Kapitel „Die Ratsstube". 
50 LA Speyer B 2, Nr. 3283, fol. 264. 
51 Siehe dazu das Kapitel „Die Ratsstube". 
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