konnte Gericht erster oder zweiter Instanz sein. In erster Instanz war es in
Streitsachen zuständig, die von dem Untergericht durch Vereinbarung der Par¬
teien oder durch Verfügung des Herzogs an dieses verwiesen wurden; in zwei¬
ter Instanz stellte das Hofgericht die Berufungsinstanz gegen sämtliche Ent¬
scheidungen des Untergerichts228 dar, wenn der Wert des Streitobjekts mehr
als 10 Gulden betrug. War dies nicht der Fall, so sollte die Appellation nicht
angenommen werden, sondern die gesprochene Urtheile in ihren Krafften bleiben /
[...] derselbigen gebührliche Execution durch unser Hoffgericht an unser statt oder
das Unter-Gericht von dem das Urtheil gesprochen / wurcklich beschehenj229.
Eine weitere Voraussetzung hatte der Appellant damit zu erfüllen, daß er seine
Berufung in zweyen Monathen / (wofern ihme der Unter-Richter die Zeit nicht
kurtzer oder langer angesetzt) von Zeit der ordentlich interponirten Appellation an¬
zurechnen /bei unserm Hoffrichter / oder an seine statt bey unserm Cantzier anzu¬
bringen und anhängig zu machen / schuldig seyn230 231. Wurde diese Frist versäumt,
so konnte die Gegenpartei beim Unterrichter um Vollzug der Entscheidung
nachsuchen oder aber vor unserem Hoffgericht / dahin appellirt / erscheinen / auff
Desertion der Appellation procediren / und umb Remission [d.h. Zurückweisung an
das Untergericht] ad exequendum bitten. Die Vollstreckung solcher Urteile
konnte auff Anruffen der Partheyen auch durch das Hofgericht erfolgen, als seien
sie von ihm ausgesprochen und ergangen235.
Wenn das Untergericht den Prozeß verschleppte oder das Recht verweigerte,
wenn der Unterrichter im Verdacht der Parteilichkeit stand, konnte diese An¬
gelegenheit ebenfalls vor das Hofgericht gebracht werden. In diesen Fällen
mußte jedoch der Kläger wegen der Kostenvermehrung Kaution stellen. War er
unvermögend, so leistete er einen Eid, daß er keinen Bürgen oder Pfand stellen
könne und bereit sei, die vom Hofgericht festgesetzten Bußen zu zahlen232. In
Strafsachen war eine Appellation nur zulässig, wenn Straf- und Zivilsache
wegen derselben Straftat miteinander verbunden wurden. Die Vollziehung der
Strafe wurde bis zum rechtskräftigen Entscheid über den Zivilpunkt ein¬
gestellt233.
228 Ohne Rücksicht auf die Einhaltung einer Appellationssumme war das Untergericht in
erster Instanz zuständig für alle Klagen (Schuldverhältnisse, Eigentum, Erbschaft,
auch Schmähe-Sachen), bei denen immer nur dem Kläger eine Geldsumme zuerkannt
wurde (vgl. dazu michel, Hofgericht des Fürstentums Zweibrücken, S. 110).
229 HGO, Titul, XVII, S. 20; Jedoch sollen Schmahe-Sachen / und andere Forderungen / so
keine gewisse Achtung oder aestimation haben / hierunter nicht begriffen seyn.
230 Ebda.
231 Ebda, S. 21.
232 Vgl. dazu ebda., S. 21 f.
233 Vgl. dazu HGO, Titul. XIX, S. 24.
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