Tagesordnung für die jeweiligen Ratssitzungen fest, leitete dazu weitgehend die
Vorbereitungen96 und mußte, da er die Leitung der Kanzlei innehatte, auch die
Beschlüsse ausführen97. Jedoch weitaus bedeutender war seine Rolle, welche
ihm mit der Vertretung des Hofmeisters bei den Ratssitzungen, mit der Beratung
der geheimen Regierungsgeschäfte98 und mit der Wahrnehmung der herzog¬
lichen Interessen auf Gesandtschaften und Landtagen zugedacht war99. Bei
Reichs- und Kreistagen, auch bei Gesandtschaften wurde ihm die Vorbereitung
übertragen100; er bestimmte das Kanzleipersonal, das die Räte auf der Reise be¬
gleitete, und sorgte dafür, daß die vorbereitenden Beratungen im Rat rechtzeitig
durchgeführt sowie die einschlägigen Akten mitgenommen wurden, damit die
vnnssern. so man zu tagen kombt. der notdurfit nach, geschickt vnnd gefasst seien,
vnd an gnugsamem bericht souil möglich kain mang! erschein101.
Durch die Tüchtigkeit der Kanzler ist der Geschäftsgang und damit letztlich das
Funktionieren der pfalz-zweibrückischen Politik unter den Pfalzgrafen Wolf¬
gang und Johann I. zu einem großen Teil bestimmt gewesen. Ihre Charaktere
und Kenntnisse waren ein wesentlicher Grund für den erstaunlichen Auf¬
schwung, den ihr Amt genommen hat, und auch dafür, daß sie stets ihre Stel¬
lung unter den angesehensten Räten behaupten konnten. An dieser Stellung
der Kanzler änderte sich auch nichts durch die Errichtung der geheimen
Sphäre, aus der sie sich nicht verdrängen und auf die alltäglichen Kanzlei¬
geschäfte beschränken ließen; der Kanzler blieb auch hier durchweg der ent¬
scheidende Ratgeber seines Fürsten102.
Damit ist jenes Moment berührt, das durch die Persönlichkeiten der Kanzler ge¬
geben ist. Die bedeutendste Figur während der Regierungs zeit Wolf gangs war
der Kanzler Dr. Ulrich Sitzinger103. Sitzinger, der in Wittenberg studiert hatte,
wurde im August 1551 als Rat und „rechtsgelehrter Diener''104 nach Pfalz-Zwei¬
brücken berufen und im Alter von nur 30 Jahren 1555 zum Kanzler ernannt105;
er ist seitdem für die politische Linie Wolfgangs weitgehend maßgebend gewe¬
96 Kanzleiordnung von 1559, Art. 10, fol. 15a.
97 Ebda., Art. 49.
98 Ebda., fol. 73a-73b.
99 Ebda., Art. 49, fol. 72b, sowie Art. 35, fol. 46a-46b.
100 Vgl. zum folgenden ebda., Art. 49, fol. 74a-74b.
101 Ebda., fol, 74b; zitiert nach keiper/buttmann, Kanzlei-Ordnung, S. 85.
102 Kanzleiordnung von 1559, Art. 49, fol. 75a.
103 Siehe zu ihm crollius, Commentarius de cancellariis, S. 65-83,- Schneider, in ADB 34,
S. 424-429 (dort ältere Literatur); KOCH, Die Entstehung des Testamentes Herzog
Wolfgangs; DERS., Das Testament des Zweibrücker Kanzlers Dr. Ulrich Sitzinger; Dre¬
scher, Sitzinger.
104 Siehe dazu crollius, Commentarius de cancellariis, S. 71; mayerhofer, Inhalt und Zu¬
stand des Pfalz-Zweibrückischen Archivs, S. 240, Anm. 1, sowie Drescher, Sitzinger,
S. 187 (42) f.
105 Siehe dazu crollius, Commentarius de cancellariis, S. 65; eid, Hof- und Staatsdienst, S.
182; DRESCHER, Sitzinger, S. 189 (45).
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