Full text: Landesherr und Landesverwaltung

zeitlichen Territorialstaates angepaßt Daneben war ferner eine Ratsstube einge¬ 
richtet worden. Indem somit die,.Kanzlei" auch zur Beratungs- und Arbeitsstätte 
der gelehrten Räte geworden war, stellte sie das Kernstück der Zen¬ 
tralverwaltung dar. Es ist nicht möglich, deren Aufgaben auch nur annähernd 
vollständig aufzuzählen, denn sie war praktisch für alle Fragen kompetent, die 
aus den einzelnen Ämtern anfielen; hierzu gehörten die Erteilung und Erneue¬ 
rung von Privilegien aller Art, die Grenzirrungen mit benachbarten Landes¬ 
herren, die Militärangelegenheiten, anfänglich eine Mitwirkung in der Finanz¬ 
verwaltung des Landes59, sowie die Aufsicht über die Rechtsprechung und Ver¬ 
waltungstätigkeit der Außenbehörden und die Wahrnehmung der landesherr¬ 
lichen Interessen vor dem Reichskammergericht. 
Als wohl wesentlichste Aufgabe der Landesregierung kann die „Handhabung 
der Polizei" im weitesten Sinne bezeichnet werden60. Dieser Begriff61 - erst 
gegen Ende des 18. Jahrhunderts erfährt er den „heute noch gültigen Sinn der 
Ordnungsbewahrung"62 - umfaßte nach der patriarchalischen Staatsauffassung 
der Zeit die gesamte Wohlfahrt des Landes und seiner Einwohner. In einer Viel¬ 
zahl von Mandaten63 wurden im Namen des Landesherrn Anordnungen zur 
Polizei der Straßen wie des Handels, des Handwerks- und Innungswesens wie 
der Gemeinde, des Gesundheitswesens sowie der Sitte erlassen. Die Durchfüh¬ 
rung und die Überwachung der Einhaltung wurden den landesherrlichen 
Unterbehörden64 übertragen. 
Daß die Rechtspflege einen wesentlichen Bestandteil der Ratsgeschäfte aus¬ 
machte, wird in einzelnen Artikeln der Kanzleiordnung von 1559 angedeutet65. 
Zwar war das Ratskollegium durch die Verfestigung des Hofgerichts66 von allen 
Angelegenheiten entlastet worden, welche vor diesem im gerichtlichen Verfah¬ 
ren ausgetragen wurden, jedoch verblieb den Räten die Aufgabe, die streitenden 
Parteien „gütlich" zu vergleichen67, denn die Untertanen sollten nach Möglich¬ 
59 Vgl. dazu das Kapitel „Die Rechenkammer". 
60 Kanzleiordnung von 1559, Art. 37, fol. 51a-51b. 
61 Zur Begriffsgeschichte siehe maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 
S. 116 ff. Siehe auch unter vergleichendem Aspekt die Quellensammlung: Polizei- und 
Landesordnungen, bearb. v. schmelzeisen; zur Entwicklung des Polizeibegriffs siehe 
bes. chapman, Der Polizeistaat, S. 7 ff. 
62 plodeck, Zur sozialgeschichüichen Bedeutung der absolutisüschen Polizei- und Lan¬ 
desordnungen, S. 96. Vgl. dazu auch schmelzeisen, Polizeiordnungen und Privatrecht 
S. 11. 
63 Siehe dazu LA Speyer B 2, Nr. 2750. 
64 Siehe dazu die Funktionen des Schultheißen bei eid, Hof- und Staatsdienst S. 216-220, 
bes. S. 217. 
65 Siehe dazu die Artikel 25 (fol. 31b), 27 (fol. 33a-33b), 28 (fol. 34a-34b), 32 (fol. 40a-42b), 
51 (fol. 80b-81a). 
66 Siehe dazu das Kapitel „Das Hofgericht''. 
67 Kanzleiordnung von 1559, Art. 27, fol. 33b; siehe dazu auch die entsprechenden Passa¬ 
gen im Kapitel „Das Hofgericht". 
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