Brief Gustav Samuel Leopolds an Christian III. vom 22. Mai zu entnehmen ist52
-auf die am 18. April erfolgte Notifikation der Ungültigkeitserklärung der her¬
zoglichen Ehe geantwortet, wobei er in einer Bemerkung sein Bedauern über die
offensichtliche Spannung und Entfremdung zwischen den beiden Höfen aus¬
sprach. Gustav Samuel Leopold bestritt dies in seiner Antwort auf das entschie¬
denste; er wollte keineswegs zugeben, daß sich - was Christian behauptet hatte
- am Zweibrücker Hof Einflüsse geltend machen würden, die unsere beede fürst¬
liche Häuser in Zwietracht gedenken zu bringen. Indem er gleichzeitig die mit
Luise Dorothea von Hoffmann geschlossene Ehe bekannt gab, ersuchte er
Christian, ihm doch die - wie er den Anschein erwecken wollte - völlig aus der
Luft gegriffene Beschuldigung gegen seine Umgebung näher zu begründen.
Diesem Brief hielt Christian die Tatsache entgegen, daß den pfalz-zweibrücki-
schen Beamten jede Korrespondenz mit Birkenfeld verboten sei53: es sei unnö¬
tig, solche Freundschaftstrenner zu benennen, weilen Euer Liebden diese besser als
uns bekannt sind, und sich wider Unser Gerechtsame declarieren, auch dessent¬
wegen ansehnliche Pensionen von außenwerts ziehen sollen. Bereits diese Aus¬
sage mußte Gustav Samuel Leopold schwer treffen; aber noch schwerwiegender
war es, daß es Christian unterlassen hatte, die übliche Gratulation zur Ver¬
mählung auszusprechen, und überdies seine Verurteilung dieses Schrittes
kundtat: Wir [können] darüber Unsere Gedanken nicht eröffnen [...] und überlas¬
sen billig anderen der Sachen Judicatur, auch Deroselben eigenem Wissen.
Gustav Samuel Leopold erwiderte dem Vetter54, daß er berechtigt sei, ein
solches Korrespondenz verbot auszusprechen; es sei ein generelles Verbot und
beschränke sich keineswegs auf den brieflichen Verkehr mit dem Birkenfelder
Hof. Daß pfalz-zweibrückische Beamte auswärtige Pensionen beziehen würden,
sei ihm unbekannt; Christian möge die Namen nennen. Die Einmischung be¬
züglich seiner Eheschließung verbat er sich mit der Bemerkung, daß Wir bei
dieser Unserer gefaßten Entschließung keine andere Judicatur als Gott und die
heilige apostolische römische catholische Kirche anerkennen werden.
Die Verstimmung zwischen den Vettern veranlaßte Kurpfalz zu handeln; man
wollte eine rechtliche Anerkennung der kurpfälzischen Erbansprüche durch
den Kaiser erreichen. Am kaiserlichen Hof aber war die freundliche Gesinnung
gegenüber der verwandten neuburgischen Familie stark gedämpft. Es galt, auf
die evangelischen Reichsstände Rücksicht zu nehmen, die eifersüchtig darüber
wachten, daß die Wiener Politik die katholischen Neuburger nicht zu stark
begünstigte, und auf Frankreich, das ja bekanntermaßen Pfalz-Birkenfeld prote¬
gierte. In den Kanzleien des Reichshofrats und des kurpfälzischen Ministeriums
häuften sich die Akten; die in unzähligen Denkschriften und Deduktionen
52 GHA München KA 479/1.
53 Christian III. an Gustav Samuel Leopold (Konzept), Straßburg 1.6.1723. GHA München
KA 479/1.
54 Gustav Samuel Leopold an Christian III., Zweibrücken 16.6.1723. GHA München KA
479/1.
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