Schließlich gingen die Bauern dazu über, einen Teil ihrer Ernte auf dem Halm zu
verkaufen. Da dies zu einem Zeitpunkt geschah, da man noch nicht überblicken
konnte, wie die Ernte ausfallen würde, setzten die Aufkäufer derart geringe Sum¬
men an, daß der Bauer regelmäßig der Geschädigte war. Obwohl Fürst Wilhelm
Heinrich den Verkauf der Früchte auf dem Halm115 bereits 1746 verbot, geschah
dies, wie eine spätere Verordnung von 1771 zeigt, aus Not trotzdem weiterhin116.
War der Bauer zahlungsunfähig, wurde der Hof von der Herrschaft gepfändet und
im schlimmsten Fall versteigert. In den meisten Fällen überstieg die Nutzung eines
gepfändeten Gutes zwar die Schuldzinsen, der Überhang aber wurde nicht der
Schuldsumme gutgeschrieben. Folglich kam der Bauer selten von seinen Schulden
wieder frei. Zum Schutze der ländlichen Bevölkerung erließen die Fürsten eine Fülle
von Verordnungen, die es dem Schuldner ermöglichen sollten, seine Kredite zu
realistischen Bedingungen zurückzuzahlen117. Da die Bauern Geldgeschäfte vor¬
nehmlich mit Juden betrieben, ergingen auch einige Verordnungen gegen deren
wucherisches Geschäftsgebaren118.
Alle diese wohlgemeinten Erlasse wurden von den Bauern selten beachtet: s'e mu߬
ten im Notfall — koste es, was es wolle — bares Geld beschaffen. Daher war, wie
J. Collet richtig sieht, „die Tätigkeit der jüdischen Händler und Geldgeber auf dem
Lande ausgedehnter, als man bei diesen Beschränkungen annehmen sollte”119.
Die Schulden der bäuerlichen Höfe zeigt Tabelle 28. Im Durchschnitt waren die
Hofe um die Jahrhundertmitte mit 160 Gulden belastet120; in der Grafschaft mit
195 Gulden und in der Herrschaft mit 131 Gulden im Schnitt. Die geringsten
Schulden hatten die Bauern der Meiereien Linxweiler, Stennweiler und Dirmingen.
Hier befand sich die Landwirtschaft in einer ziemlich günstigen Lage: mittlere
Böden, günstiges Nutzflächenverhältnis, mittelgroße Höfe, Dreifelderwirtschaft.
Hochverschuldet waren die Höfe der Köllertaler Meiereien. Die großen Höfe
stellten zwar einen bedeutenden Wert dar, wurden aber zur Zeit der Schuldener-
erhebung sehr extensiv genutzt. Manche Höfe trugen eine Schuldenlast, die dem
Wert der Anwesen gleichkam oder ihn sogar überstieg121.
Die Verschuldung war sehr unterschiedlich. Sie reichte in der Grafschaft von 10 fl.
bis 920 fl. und in der Herrschaft von 5 fl. bis 700 fl.
115 VO v. 14. 1. 1746: Da auch durch die Aufhäufung derer noch im Feld und auf dem
Halm stehenden Früchte, .... den bedrängten Untertanen bishero nicht geringen
Schaden zugefüget und selbige dadurch in Nahrungsverfall und Abgang gesetzet
worden; also soll auch dieses bei willkürlicher Straf und Confiscation derer . . .
Früchten, da der Preis davon noch ungewiß, verboten sein.
(J. M. Sittel, a.a.O., S. 282).
116 J. M. Sittel, a.a.O., S. 430: Reg. Reskr. v. 3. 8. 1770 und derselbe, S. 434 f.: VO
v. 1. 10. 1771.
117 VO v. 1728, 1732, 1736, 1743, 1746, 1753, 1755, 1763, 1764 zum größten Teil bei
J. M. Sittel, a.a.O., passim abgedruckt.
118 Ebenda, VO v. 1740, 1764, 1765, 1766, 1772, 1773.
119 J. Collet, a.a.O., S. 22.
120 Ebenda; J. Collet errechnete geringere Schulden. Er legte die Schuldenlast auf alle,
also auch die schuldenfreien Höfe um und nahm auch die Hintersassen in die Be¬
rechnung mit hinein.
121 Vgl. LA SB, Best. 22 Nr. 3275, Bl. 20—167; Anmerkungen bei einigen Hofleuten.
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