Dieses ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, in welchem Maße die Kartof¬
fel „Deutschland (und Europa) vor dem Absinken in die größten Tiefen einer schon
schwierigen Ernährungssituation bewahrte“45 46.
Im Gegensatz zur Kartoffel gestaltete sich die Einführung neuer Futterkräuter
schwierig. Trotz mehrerer Verordnungen40 lehnten die Bauern anfänglich den Klee¬
bau ab und konnten nur durch Zwangsmaßnahmen zur Anlegung von Kleefeldern
bewegt werden. Nach dem Tode Wilhelm Heinrichs ruhte die Förderung der Land¬
wirtschaft wegen der hohen Staatsverschuldung einige Zeit, so daß Fürst Ludwig
erst 1781 einen zweiten Anlauf zur Beförderung des Kleebaus nahm, dem eben¬
falls kein durchschlagender Erfolg beschieden war. Obgleich der Fürst eine beson¬
dere Landesökonomiekommission einrichtete, um ... den so ungemein nützlichen
Kleebau auf allen Bännen und dadurch ... die unstreitig vorzüglichere Stallfütte¬
rung einzuführen47, blieb der Kleebau bis zum Ausbruch der Französischen Revolu¬
tion in den Anfängen stecken, weil die Bauern ihrer Vorurteile nicht Herr wurden
und den Anbau der neuen Futterpflanze mit derben, aber wirkungsvollen Mitteln
sabotierten. Hansen schreibt dazu: „Die Bauern glaubten, daß diese Verordnung
nur im Interesse der jungen Hasen erlassen worden sei, und für die wollten sie kein
Futter pflanzen. Andere Bauern fürchteten, daß der Kleebau neue Abgaben bringen
werde. Der Fürst ließ Kleesamen verteilen und schickte den Renitenten Einquartie¬
rung. Als die Bauern sahen, daß sie dem Aussäen des Kleesamens nicht ausweichen
könnten, taten sie diesen vorher in kochendes Wasser, um seine Keimkraft zu
zerstören“48.
Solche Praktiken wurden offenbar schon länger angewandt, denn die Giidinger
geben anläßlich ihrer Auseinandersetzung mit dem Fürsten über die Abschaffung
der von ihnen so sehr verteidigten Nachtweiden an, daß auch der Kleebau, aller
angewandten Mühen und Kosten zum Trotz, bei uns (nicht) geraten will49. In
solchen Fällen hilft nur das aufrüttelnde Beispiel eines klugen Praktikers, der den
Bauern augenfällig beweist, wieviel Vorteil ein Wagen Kleefutter bringt. Vikar
Lauer, so berichtet Hansen, war dieser Mann, und seitdem brauchte man den
Bauern den Kleebau nicht mehr zu befehlen50 51. Andererseits hätten ideale Voraus¬
setzungen für den Kleebau bestanden, weil in Nassau-Saarbrücken die zahlreichen
Inhaber von Körnerzchnten fehlten — es war hier der Fürst allein —, die bekannt¬
lich eine Verminderung ihrer Einkünfte fürchteten, wenn Klee ins Brachland oder
unter die Sommerfrüchte gesät wurde. Gute klimatische Voraussetzungen waren
ebenfalls gegeben. Es ist erstaunlich, „daß eine Pflanze, von der in solchem Aus¬
maß die Wohlfahrt der Nation abhängen sollte, noch der vielen Schriften bedurfte,
um ihren Anbau zu fördern“61.
45 W. Abei, Landwirtschaft, S. 520.
46 J. M. Sittel, a.a.O., S. 321: VO v. 12. 1. 1758 über die Beibehaltung der Vogteigüter,
§ 1: drei Morgen Klee- und Etzfutter; LA SB, Best. 22 Nr. 4429, S. 65: VO v. 17. 5.
1781 zur Beförderung des Kleebaus und VO v. 1. 11. 1783 zur Beförderung des Fut¬
terbaus.
47 H.V. — A 592.
48 J. A. J. Hansen, a.a.O., S. 54.
49 LA SB, Best. 22 Nr. 2654; Streit von 1758—1786.
50 J. A. J. Hansen, a.a.O., S. 54.
51 W. Abel, Geschichte, S. 283.
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