Full text: Genealogia oder Stammregister der durchläuchtigen hoch- und wohlgeborenen Fürsten, Grafen und Herren des uhralten hochlöblichen Hauses Nassau samt etlichen konterfeitlichen Epitaphien

Die Zeichnung von Dors ist ein äußerst wichtiges Dokument, da sie den ursprünglichen Zu¬ 
stand des bekannten Hochgrabes wiedergibt (Abb. 27). Es hat die Forschung seit über hundert 
Jahren beschäftigt und zu den seltsamsten Interpretationen Anlaß gegeben, denn durch den in 
die Rückwand eingelassenen Tumbendeckel Erzbischof Gerlachs von Nassau (rechts) und den 
Grabstein Adolfs von Nassau (f 1475, links, vgl. Nr. 25), erhielt es später ein verändertes Aus¬ 
sehen. Hanno Hahn konnte das vieldiskutierte Problem durch Grabungen klären. Er, wie Karl 
Rossel47), kannte bereits die Dors’sehe Zeichnung. Von seiner Entstehung an war das Grab als 
Wandnischengrab konzipiert, das über der Gruft an der Nordwand stand, also an derselben 
Stelle, an der es sich heute, wenn auch verändert, befindet, und genau so, wie es Dors abzeich¬ 
nete. Es handelte sich nach seiner Zeichnung um ein Tumbengrab, das mit drei Seiten in den 
Chorraum hineinragte, überhöht von einem auf drei freistehenden und auf drei Wandvorlagen 
gestützten Architekturbaldachin, der oben durch eine zierliche Maßwerkbalustrade abgeschlos¬ 
sen wird. Dors zeichnete nur zwei rückwärtige Stützen. 
Die Gesamtkonzeption entspricht der Art der Heiligen Gräber, wie sie vorwiegend am Ober¬ 
rhein im 15. ]h. ausgebildet wurden. 
Die Veränderungen erfolgten 1707, als Abt Michael Schnock den Chor um rund einen Meter 
erhöhte. Damals wurde das Hochgrab auf einen kahlen Unterbau gesetzt, die Rückwand mit 
den alten Figuren entfernt und der architektonische Überbau durch drei abgefaste Sockelstüt¬ 
zen soweit erhöht, daß die Tumbenplatte des Erzbischofs Gerlach und auch der Stein des vor 
dem Altar bestatteten Erzbischofs Adolf von Nassau aufrechtstehend hineingestellt werden 
konnten. 
Die Dors’sche Zeichnung zeigt die Schauseite der früheren und jetzigen, veränderten Tumba 
mit den beiden Szenen aus dem Leben Christi zwischen zwei Löwen und getrennt durch die 
Figur des Bildhauers (?) als Atlant: Auferstehung und „Noli me tangere“, darüber die Tum¬ 
benplatte Erzbischof Gerlachs (jetzt aufrechtstehend rechts). Unter dem Baldachin stehen an 
der Rückwand die Figuren der heiligen Barbara, Agnes, Katharina und Magdalena48); rechts 
daneben die Konsolfigur eines ein Rauchfaß schwingenden Engels, der ganz offensichtlich au¬ 
ßerhalb des Architekturrahmens an der Wand stand. Die Anordnung der Figuren ist zweifellos 
ursprünglich, erkennbar an den Blendmaßwerkbögen. 
An den vorderen Pfeilern sind oben aufgestellt die Madonna, links Petrus, rechts Paulus. Die 
Figur im linken Wimperg läßt sich als Salomon, die im rechten als Prophet erkennen. 
Angemerkt werden muß, daß Dors hinsichtlich der Perspektive unklar ist, weil er den Standort 
beim Zeichnen wechselte: Sowohl die östliche wie auch die westliche Schmalseite ist fehler¬ 
haft, vor allem im oberen Bereich. Links oben ist der Torso einer Johannes-Evangelist-Figur 
zu erkennen, bartlos, mit dem Kelch in der linken Hand, auf den er mit der Rechten hinweist. 
47) Vgl. Anm. 34; Rossel, Abtei Eberbach, vor allem S. 8 ff.; ausführliche Literaturangaben auch bei 
Hahn. 
48) Wegen der doch recht deutlichen Schattenzonen der Konsolfiguren ist nicht recht begreiflich, daß Ros¬ 
sel diese Figuren für Wandmalereien halten konnte. 
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