zählt, wenn sie einmal bewohnt waren und sich außerhalb der geschlosse¬
nen Ortschaften befanden. Widerspruch erfuhr jedoch die Einbeziehung
von Meilerplätzen in die Wüstungsbetrachtung durch M. Born, der darauf
hinwies, daß z. B. die Hütte eines Köhlers als eine Erscheinungsform einer
bestimmten Wirtschaftsform anzusehen ist und somit der Charakter eines
Wohnplatzes fehlt24. Denn wichtig ist, daß an jenen Stellen gewohnt und
gewirtschaftet wurde, und daß sich dies auch im Parzellengefüge einer
Gemarkung auswirkte. Wenn man nämlich gesprengte Bunker, Steinbrüche,
Rötelgruben, Bahnwärterhäuschen, offene Schutzhütten, Aussichtstürme,
kleine bäuerliche Rennfeuer, Schlackenhalden, Schuttabladeplätze und eben
diese Meilerplätze in Wüstungsverzeichnissen berücksichtigen wollte, so
kommt man der unzulässigen, extremen Ausweitung des Wüstungsbegriffes
von Lorch wieder nahe. Janssens Forderung, den Wüstungsbegriff nicht nur
auf mittelalterliche Siedlungsvorgänge zu beschränken, sondern auch auf
die der Vor-, Früh- und Neuzeit auszudehnen, ist in jedem Falle zu unter¬
streichen25. Ebenso kann der Begriff nicht auf ländliche Siedlungen be¬
schränkt bleiben.
Um zeitlich begrenzte Wüstungen besser fassen zu können, schlug H.
Mortensen den Begriff „Interimswüstung" vor26: „Das Wüstfallen wird hier
nach kurzer Zeit wieder korrigiert. Die Neubesiedlung setzt nicht nur auf
dem früheren Wohnplatz und der zugehörigen Flur an, sondern führt auch
zur Wiederherstellung wenigstens des Grundgefüges der früheren Orts¬
und Flurform. Es kann sogar zu einer Neubelebung der einstigen Betriebs¬
und Besitzstrukturen kommen. Solche Interimswüstungen entstanden vor
allem in Gebieten stärkeren frühneuzeitlichen Ausbaues27." Mit dem Begriff
der „InterimsWüstung" ist die Bezeichnung „temporäre Wüstung" verwandt.
Bei K. Scharlau sind die beiden Wüstungsarten deckungsgleich. Er will den
Begriff nur dann angewandt wissen, wenn ein Entsiedlungsvorgang im Zuge
einer gleichsam natürlichen Entwicklung wieder ausgeglichen wird28. Schon
H. Beschorner wies auf diese Orte hin, die zeitweilig wüst lagen, später
wieder aufgebaut wurden und vielfach den früheren Siedlungsnamen bei¬
behielten. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, daß sich Dörfer bis auf
einzelne Höfe zurückentwickelten, und in späterer Zeit an den gleichen
Stellen neue Dörfer entstanden29. H. Jäger versteht unter temporären
Wüstungen — der Begriff wurde erstmals von G. Mackenthun 1950 ange¬
wandt30 — Siedlungen, die sich vor 1800 auf mittelalterlichen Wüstungsstel¬
24 M. B o r n , Wüstungsschema u. Wüstungsquotient, S. 214.
25 W. Janssen, Mittelalterliche Dorfsiedlung, S. 347.
26 H. Mortensen, Uber „Interimswüstungen", in: Ber. z. dtsch. Landeskunde,
Bd. 33, 1964, S. 226—240.
27 M. B o r n , Wüstungsschema u. Wüstungsquotient, S. 211.
28 K. Scharlau, Ergebnisse und Ausblicke der heutigen Wüstungsforschung,
in: Bll. f. dt. Landesgesch., Jg. 93, 1957, S. 70.
29 H. Beschorner, Wüstungsverzeichnisse, S. 3.
30 G. Mackenthun, Die Wüstungen im Kreis Lauterbach, in: Lauterbacher
Sammlungen 5, 1950, S. 10.
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