laufende Beschäftigung im bestimmten Raum, die Einheit von Wohn- und
Arbeitsplatz, wobei der Wirtschaftsraum zuallererst auf den Wohnraum
bezogen ist, ergibt diese Einheit des Lebensraumes vor der verkehrstech¬
nischen „Revolution".
W. Janssen definiert aus archäologischer Sicht: „Als Wüstung im weitesten
Sinne wird jede Siedlung und auch jede nicht ständig bewohnte Fabrika¬
tionsstätte des Menschen bezeichnet. Sowohl im Lateinischen als auch im
Alt- und Mittelhochdeutschen verbinden sich mit diesem Begriff zwei Be¬
deutungen: Einmal bezeichnet er das gänzlich unkultivierte Land, das noch
niemals von Kultivierungsmaßnahmen des Menschen betroffen wurde; zum
anderen bedeutet er das aus der Kultivierung entlassene, das aufgegebene,
ehemalige Kulturland21." Die Einbeziehung dieser „nicht ständig bewohnten
Fabrikationsstätten" benutzt W. Janssen in Anlehnung an H. Beschorner
„Wüstungen im weiteren Sinne". Janssen gibt an einer anderen Stelle
folgende Begründung: „Damit erfährt die von Scharlau gegebene Abgren¬
zung eine nicht unbeträchtliche Erweiterung, und zwar vor allem um jene
Niederlassungen, die mit den verschiedenen gewerblichen Tätigkeiten im
Umkreis ländlicher Siedlungen Zusammenhängen. Zu berücksichtigen sind
demnach nicht nur Hof-, Dorf- und Stadtwüstungen, sondern auch wüste
Mühlen, Hütten, Klöster, Kirchen, Kapellen, Fabrikationsstätten aller Art,
Meilerplätze, Erzgruben und -tagebaue. Es gibt schließlich keine hinreichen¬
den Gründe, Burgen, die über längere Zeit hinweg größeren Mengen von
ziviler Bevölkerung als Wohnplätze dienten, nicht mit zu den wüsten Sied¬
lungen zu rechnen. Wenn einerseits die Flur als das weitere Wirtschafts¬
gebiet eines Dorfes oder eines Hofes Beachtung findet, so gehören ebenso
die anderen Stätten der Produktion und der Wirtschaft dazu. Die Hütten
und Bergwerke, die sich in der Nähe eines Dorfes oder einer Stadt befunden
haben, mögen die wirtschaftliche Grundlage seiner Bewohner ausgemacht
haben. Wenn sie zugrunde gingen, war auch die Blüte der Siedlungen
vorbei, vielleicht sogar der Grund zu ihrer Aufgabe gelegt22.“ Diese
„Industriewüstungen" oder „Gewerbestättewüstungen", wie sie D. Düster¬
loh nennt23, umfassen also auch wüste Ortschaften, deren Erwerbsgrundlage
nicht im Agrarbereich, sondern im Bergbau, überhaupt in bestimmten Sek¬
toren der Industrie und des Gewerbes, lagen. Dazu werden verlassene
Mühlen, Gasthäuser, Glashütten, Eisenhütten, Eisenhämmer, Überreste von
Bergbaugebäuden („Zechenwüstungen") und andere Industriebetriebe ge¬
21 W. Janssen, Methodische Probleme archäologischer Wüstungsforschung, in:
Nadir, d. Akad. d. Wiss. in Göttingen, I. Philologisdi-histor. Klasse, Jg. 1968
Nr. 2, S. 32. Ders., Mittelalterliche Dorfsiedlungen als archäologisches Problem,
in: Frühmittelalterliche Studien, Berlin 1968, {= Jb. d. Inst. f. Frühmittelalter¬
forschung der Univ. Münster) S. 347. (Vgl. auch S. 308).
22 W. Janssen, Archäologische Wüstungsforschung, S. 34.
23 D. Düsterloh, Beiträge zur Kulturgeographie des Niederbergisch-Märki-
schen Hügellandes. Bergbau und Verhüttung vor 1850 als Elemente der Kultur¬
landschaft, Göttinger Geogr. Abh., H. 38, 1967, S. 35 f.
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