Full text: Die Wüstungen des Saarlandes

Ackerbau ablöst und der Bauer oder Besitzer deshalb um so höhere Gewinne 
erzielt16. Aber auch echte Extensivierungsersdieinungen sind im Umfang und 
Ausmaß schwer zu bestimmen: „Es ist daher zu bemerken, daß solche 
Extensivierungsvorgänge nicht mit qualitativen Begriffen absolut eingestuft 
werden können, da ihnen ein regional sehr differenziertes Gewicht zu¬ 
kommt17." 
W. Lorch definierte 1938, „daß eine Wüstung jedes Werk von Menschen¬ 
hand ist, das zu einem bestimmten Zeitpunkt (z. B. Hochmittelalter, Jetztzeit 
usw.) einem minderwertigen Zwecke dient als zur Zeit seiner Anlage18." 
Auf dieser allzu weit gespannten Basis unterschied er Siedlungs-, Gebäude-, 
Wirtschafts-, Verkehrs- und Kulturwüstungen. Diese Ausweitung des Be¬ 
griffs bis zum Extrem setzte sich auch in der Folge nicht durch, denn wenn 
man jedes Werk von Menschenhand in die Betrachtung einbeziehen wollte, 
so würde der Begriff ins Uferlose gehen. Außerdem kann bei einer echten 
Wüstung selten noch von einem Zweck gesprochen werden, da ja eine 
Zielrichtung oder eine Nutzung gerade bei der Wüstung fehlen. Wenn 
W. Lorch Schutthalden, Stauseen, Eisweiher, Gatter, Schutzanlagen gegen 
Wild, Bildstöcke, Schanzen und Richtstätten u. ä., den ganzen Komplex 
ehemaliger menschlicher Beeinflussung des Landschaftsbildes, als Phäno¬ 
mene herausstellt, die „wüst" werden können, so setzt er vielfach Einzel¬ 
kriterien und Teilaspekte ohne Verbindung nebeneinander und weist ihnen 
einen Gesamtcharakter zu, der ihnen nicht zukommt. Eine außer Betrieb 
gesetzte Straßenlaterne müßte sonst ebenfalls als Wüstung bezeichnet wer¬ 
den19. „GebäudeWüstungen" gehören nun einmal als Teile und Elemente zu 
den Ortswüstungen (auch verfallende Straßen, Wege, Brücken usw.)20. 
Wichtig ist, daß eine Wüstung, und zwar jede für sich, als ein ehemaliger 
Organismus gesehen werden muß, in dem nur das Zusammenspiel der 
Einzelkräfte und Einzelerscheinungen die komplexe Natur sich wider¬ 
spiegelt. Mag auch die Scheune oder der Stall eines Hofes verfallen sein, 
solange der Hof selbst bewohnt ist, haben wir keine Wüstung. Der Mensch 
muß am Platz arbeiten und den Platz bearbeiten, vor allem aber ihn ständig 
„beleben", d. h. bewohnen und benutzen. Diese dauernde Anwesenheit, die 
16 Zum Problem „Vergrünlandung“ vgl. z. B. C. Borcherdt, Das Adcer-Grün- 
landverhältnis in Bayern, Kallmünz 1957 (= Münchener Geogr. Hefte 12). Zum 
Problem Aufforstung: W. Hartke, Die sozialgeographische Determinierung 
der Aufforstung von Kulturland in Oberfranken, in: Ber. z. dt. Landeskunde 23, 
1959, S. 401—410. 
17 M. Born, Wüstungsschema und Wüstungsquotient, in: Erdkunde Bd. 26, 1972, 
S. 212. 
18 W. Lorch, Die Mikroschürfung, eine neue Methode der Wüstungsforschung, 
in: Ztschr. f. Erdkunde 1938, S. 177. 
19 G. Mackenthun, Die Wüstungen im Kreis Lauterbach, (=* Lauterbacher 
Sammlungen 5) 1950, S. 9. 
20 D. D e n e c k e , Methodische Untersuchungen zur historisch-geographischen 
Wegeforschung im Raum zwischen Solling und Harz, in: Göttinger Geogr. Abh., 
H. 54, 1969, S. 40. 
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