Full text: Grundlegung der Ethik als Wissenschaft

Wir kennen keinen Augenblick menschlichen Bewußtseins, 
der als sein Zuständliches Lust und Unlust aufwiese; das Märchen 
vom „gemischten Gefühl“ müssen wir den Dichtern überlassen. 
„Im Lichte der Lust stehen“ heißt also dem betreffenden Be¬ 
wußtsein mit Lust Vorstellung, nicht aber mit Lust verknüpft 
sein, und so bringen wir eine altbekannte Tatsache zum Aus¬ 
druck, wenn wir sagen, daß das Gewollte dem vorstellenden 
Bewußtsein im Lichte der Lust steht. 
Jedoch die Bedingungen für das Wollen sind auch dann noch 
nicht ganz erfüllt, wenn wir darauf hinweisen, daß die vor¬ 
gestellte Veränderung uns im Lichte der Lust stehe, so bedeut¬ 
sam und unerläßlich auch dieser Umstand als Voraussetzung 
für jegliche ursächliche Selbstbeziehung d. h. für das Wollen 
des menschlichen Bewußtseins ist. Ein letzter Umstand ist viel¬ 
mehr noch herauszustellen, daß nämlich die im Lichte der Lust 
stehende vorgestellte Veränderung als solche in Gegensätzlich¬ 
keit steht zu der mit Wirklichem des betreffenden Augenblicks 
verknüpften Unlust? Wir nennen diese Gegensätzlichkeit den 
praktischen Gegensatz, weil erst durch diese Gegensätzlich¬ 
keit das Bewußtsein zum WTollen, zur ursächlichen Selbst¬ 
beziehung auf die im Lichte der Lust stehende vorgestellte Ver¬ 
änderung kommt und eben kommen muß. Das Wollen ist 
die notwendige Folge dieser Gegensätzlichkeit im mensch¬ 
lichen Bewußtseins1, und die im Lichte der Lust stehende vor¬ 
gestellte Veränderung, die das eine Glied des praktischen Gegen¬ 
satzes ausmacht, ist dann das Gewollte d. i. der Zweck des 
wollenden Bewußtseins. 
b) 
Gegen die Gleichstellung der Worte „Gewolltes1" und „Zweck“ 
mögen etwa Bedenken aufkommen, die sich zugleich gegen 
unsre Behauptung, daß nurdieim Lichte derLust stehende 
vorgestellte Veränderung Gewolltes sei, richten. Wir weisen 
nun darauf hin, daß man mit dem Worte „Zweck“ entweder 
1 Siehe Rehmke, „Die Seele des Menschen“5 S. 125I. 
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