Sprachgebrauch als „Wollen“, „Wollendes“ und „Gewolltes“
umgeht, vielfach vergessen läßt, daß „Wille“ auch in der Be¬
deutung „Wollendes“ nicht ein besonderes Wesen bezeichne, das
seinem Wesen nach in der Bestimmung „Wollen“ gezeichnet
sei, wie wir z. B. das Wort „Wille“ bei Schopenhauer verwendet
finden.
Ob freilich der Wille (oder Wollen), wie Wahrnehmen —
Vorstellen, sowie Fühlen und Denken (Unterscheiden — Ver¬
einen), eine Bestimmtheit der Seele sei, bleibe einstweilen
noch dahingestellt, daß aber die Seele auch als wollendes Wesen
d. i. als Wille sich erweist, läßt sich nicht bezweifeln. Wir alle
kennen uns als menschliche Seelen, kennen uns als unkörper¬
liche Einzelwesen, d. i. als Geister, die ein jedes mit einem
Leibe eine Wirkenseinheit ausmachen, die man „Mensch“ nennt1.
Wir menschliche Seelen aber sind Bewußtseinswesen d. h.
Wesen, deren Wesen Wissen ist, und die ein jedes zu einer
besonderen leiblich-seelischen Wirkenseinheit „Mensch“, die
indes nicht selber auch ein Einzelwesen ist, gehören.
Die Wahrheit, daß wir Bewußtseins wesen und darum eben
dem körperlichen Einzelwesen schlechthin wesensfremd sind,
erfährt noch ihre besondere Beleuchtung durch die Tatsache
des Selbstbewußtseins, also durch die Tatsache, daß wir uns
selbst haben (wissen). Das Selbstbewußtsein aber spielt wiederum
eine bedeutsame Rolle im Wollen menschlichen Bewußtseins;
nur das selbstbewußte Wesen kann überhaupt wollen und wer
immer will, weiß sich selbst; ohne Selbstbewußtsein kein
Wollen, wer sich nicht selbst weiß (hat), kann auch nicht
wollen.
Darum ist „bewußtes WTollen“ nur ein überschüssiges Wort
für Wollen schlechtweg, das eben eine Angelegenheit des sich
selbst wissenden Bewußtseins ist. Die menschliche Seele hat
freilich keineswegs stets Selbstbewußtsein aufzuweisen, eine
1 s. Rehmke, „Die philosophische Erbsünde“ und „Was bin ich?“
Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, Marburg 1924.
74