solches nicht erkennt, sondern fälschlich für Glückseligkeits¬
mittel hält.
Vor das „Sittliche“ d. h. vor das Wollen der Glückseligkeits¬
mittel hat also diese Ethik die Erkenntnis oder die Einsicht in
die Glückseligkeitsmittel gestellt und alles Sittliche in dieser
Einsicht verankert: wir wollen sie darum die Klugheitethik
nennen, indem wir das griechische Wort „aoip/a“ mit dem
deutschen Wort „Klugheit“ wiedergeben. So hat denn in dieser
Ethik das menschliche Bewußtsein als erkennendes Wesen
(vovg) für das Sittliche grundlegende Bedeutung, denn nur durch
die Pforte der Erkenntnis der Glückseligkeitsmittel, d. i. des
Sittlichen, geht ihr das wollende Bewußtsein in den Tempel der
Glückseligkeit ein.
Vergleichen wir die Klugheitethik mit der Pflichtethik, so
hat sie, wissenschaftlich betrachtet, vor dieser voraus, daß sie
mit ihrem Ansatz auf dem Wirklichkeitsboden steht, während
die Pflichtethik, wie wir gezeigt haben, dessen ermangelt. Die
Klugheitethik hat es in ihrem Ansatz mit einem zweifellos
Wirklichen, dem wollenden menschlichen Bewußtsein zu tun,
aber freilich nur mit dem einzelnen Bewußtsein, so daß für
das „Sittlich«“ es dieser Ethik gar nicht noch eines zweiten
Bewußtseinswesens als Voraussetzung benötigt und „sittliches“
d. h. zur eigenen Glückseligkeit führendes Wollen schon mög¬
lich erscheint, wenn auch nur Ein menschliches Bewußtsein sich
in der ganzen Welt befände. Aber wenn auch die Klugheit¬
ethik auf Wirklichkeitsboden gestellt ist, so ist dieser Versuch
einer Ethik als Wissenschaft doch nicht weniger abzulehnen
als derjenige der Pflichtethik, und zwar aus zwei Gründen, die
sich gegen die Voraussetzung der Klugheitethik wenden, daß
jeglichen Wollens Zweck die eigene Glückseligkeit ausmache.
Zunächst ist dagegen einzuwenden, daß hier, auch wenn diese
Voraussetzung Wahrheit wäre, Ethik als Wissenschaft vom
Sittlichen unmöglich sein müßte, eben wenn das Sittliche das
„Gute“ d. h. das Glückseligkeitsmittel, wie die Klugheitethik
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