anderen Bewußtsein, „für“ das es will; denn ohne das Unlust¬
gefühl kommt menschliches Bewußtsein überhaupt nicht zum
Wollen.1 Also nur wenn wir Unlust haben an dem Bewußt¬
sein, das wir lieben1, können wir „für“ dieses Bewußtsein
wollen.
Wenn Schopenhauer auf das Mitleid alles Wollen „für“
anderes Bewußtsein gestellt sieht, so greift er insoweit fehl, als
er das Leid (Unlust) an dem anderen Bewußtsein, ohne das ein
Bewußtsein nicht zum Wollen „für“ dieses kommen kann, nur
als Mitleid anerkennt, als nicht nur das wollende, sondern
auch das andere Bewußtsein in allen Fällen des Wollens „für“
anderes Bewußtsein Leid (Unlust), haben läßt. Um das Wollen
des Liebenden 2 zu erklären, bedarf es nicht unvermeidlich auch
der Unlust des anderen Bewußtseins, sondern eben nur der Un¬
lust des Wollenden an dem anderen Bewußtsein, das selber nicht
selten Lust haben kann, so daß dann vom Mitleid des Wollen¬
den nicht zu reden ist. Schopenhauer also trifft mit dem Mit¬
leid als angeblichem „Fundament der Moral“ nicht den sprin¬
genden Punkt in dem Wollen „für“ anderes Bewußtsein, was
sich daraus erklärt, daß er das hinter dem Mitleid stehende und
dieses begründende Sichwesenseinswissen nicht sieht und daher
die Fälle des Wollens „für“ anderes Bewußtsein, in denen zwar
das wollende, nicht aber das andere Bewußtsein Unlust (Leid)
hat, gänzlich übersieht: woran eben seine Metaphysik letzten
Endes schuld ist.
Das jedoch bleibt bestehen, daß ein mit anderem Bewußt¬
sein sich einswissendes Bewußtsein, wenn es „für“ das andere
aus Liebe2 will, Unlust an diesem haben und Veränderung
dieses anderen zum besonderen Zweck haben muß.
Sicherlich kennen wir aber Wollen aus Liebe1, das nicht
Mitleids wollen, also Wollen aus Liebe2, wobei das andere Be¬
wußtsein kein Leid (Unlust) aufzuweisen hat. In diesen Fällen
kann daher das wollende Bewußtsein zum besonderen Zweck nicht
1 Siehe Rehmke „Lehrbuch der allg. Psychologie“2, S. 484 ff.
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