zweiseitige Verhandlungen, wenn auch nicht auf der Reparationskonferenz, zu
erlangen9. Stresemann mußte aber auch Strömungen in der öffentlichen Meinung
Deutschlands berücksichtigen, die die neue Reparationsregelung von der vor¬
zeitigen Saarrückgliederung abhängig machen wollten10 11. Der deutsche Außen¬
minister brachte deshalb auf der Haager Reparationskonferenz die Saarfrage vor
und erreichte, daß durch einen deutsch-französischen Notenaustausch vom
30. 8. 1929 der Beginn von Saarverhandlungen vereinbart wurde11. Stresemann
hatte dies durch eigene Gespräche mit Briand und die deutscher und französischer
Vertreter auf der Konferenz erreicht12.
Im Haag hatten deutsche und französische Unterhändler auch schon Gespräche
über Rückgliederungsprobleme geführt, die sich deutscherseits auf Vorbereitungen
der Ministerialbürokratie stützten. Während man im Auswärtigen Amt Mitte Mai
noch genaue Planungen für die wirtschaftliche Rückgliederung als verfrüht ver¬
schob13, wurde doch am 26. Juni die Bildung von Ausschüssen unter der allge¬
meinen Federführung des Auswärtigen Amts für die Kohlenfrage, für den Rück¬
kauf der Gruben, für Frachtfragen und für handelspolitische Fragen beschlossen.
Dazu traten bis Ende Juli noch je ein Ausschuß für Sozialpolitik sowie für Gesetz¬
gebung und Verwaltung14. Der im Jahre 1927 eingesetzte Saarausschuß aus
Vertretern saarländischer Parteien und Verbände wurde einberufen15 und stellte
die Verbindung zwischen Saaröffentlichkeit und Ministerialbürokratie her.
Neben einzelnen Äußerungen von Wirtschaftskreisen des Reichs und des Saar¬
gebiets16 verdient die Denkschrift des Syndikus der Handelskammer Saarbrücken,
Dr. A. Lütke, vom Juni 192917 18 besondere Beachtung. Lütke wählte diesen Weg,
um, wie er in der Einleitung darlegte, die Vertraulichkeit bei der wirtschaftlichen
Planung zu wahren. Grundlegend war für ihn die Rückgliederung auf politischem
und wirtschaftlichem Gebiet zur selben Zeit, d. h. der Übergang der Regierungs¬
gewalt an Deutschland, der Rückkauf der Gruben und die Rückkehr der Saar ins
Reichszollgebiet. In der Überleitung von Gesetzgebung, Verwaltung und Recht¬
sprechung sah Lütke keine großen Schwierigkeiten, forderte aber genaue Kennt¬
nisse der besonderen saarländischen Verhältnisse bei den deutschen Behörden13.
9 Drahtberichte v. 9., 11. und 31.7.1929: ebda., Bd. 1 und 2.
10 Z e n n e r , Parteien, S. 224.
11 Den Text der Note vgl. ebda., S. 224.
12 Hierzu: Aufzeichnung (o. D.) über deutsche Saarinitiativen im Haag (AA Büro StS
betr. Saarfrage, Bd. 4), Telegramm des StS in der Reichskanzlei v. 11.8.1929 (AA...
betr. Rückgliederung, Bd. 2), Telegramm des StS (Reichskanzlei) v. 22.8.29 (AA Büro
RM betr. Saargebiet, Bd. 3).
13 Vgl. Anm. 3.
14 Aufzeichnung der Besprechung im AA am 26.6.1929: BA R 2/2713b; Aufzeichnung
des VLR v. Friedberg v. 31.7.1929: BA R 431/247, BI. 100.
15 Protokoll der Sitzung v. 1.7.1929: AA Büro RM betr. Saargebiet, Bd. 2.
16 Vgl. Verm. des VLR Voigt v. 5.7.1929 und seinen Verm. v. 16.7.1929: AA... betr.
Rückgliederung, Bd. 1.
17 Die Denkschrift „Die wirtschaftlichen Probleme bei der Rückgliederung des Saarge¬
biets. 2. Fassung“ wurde vom AA an alle interessierten Ressorts versandt. Das AA
hob ihr „reiches Material“ hervor. Das Exemplar des Reichsfinanzministeriums (BA
R 2/2713b) wurde am 29.6.29 übersandt. Wie Lütke in der Einleitung schrieb, stammte
die 1. Fassung v. Febr. 1929. Sie fand sich im benutzten Material nicht.
18 Lütke-Denkschrift (BA R 2/2713b), Bl. 3—7.
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