Deutschland und ihren Absatz nach Ost und West in einigermaßen ausreichendem
Maße zu befriedigen.
Die Absichten des Versailler Vertrages, die saarländische Eisenindustrie vom Reich
zu trennen und nach Westen zu orientieren, hatten sich somit bereits sechs Jahre
nach der Abtrennung als unmöglich herausgestellt. Die Saareisenindustrie durfte
künftig auf eine Mittelstellung zwischen Deutschland und den westlichen Nach¬
barn, vor allem Frankreich, hoffen. Der bereits angedeutete Rückzug ausländischer
Kapitalinteressen aus den Eisenhütten der Saar ergänzte das Bild einer sich wieder
mehr nach Deutschland orientierenden Schwerindustrie im Saargebiet.
Die geschilderten Schwierigkeiten bei der Umstellung des Absatzes durch den
Versailler Vertrag machten ebenfalls der Glas- und der Keramikindustrie an der
Saar zu schaffen7. Beiden Industriezweigen stand nach Bergbau und Eisen¬
industrie die größte wirtschaftliche Bedeutung zu. Sie konnten durch die bereits
erwähnten Saarzollabkommen ihren Absatz nach Deutschland sichern. Die Er¬
wartungen, der französische Markt werde voll aufnahmefähig sein, waren
getäuscht worden. Unter dem Zwang der Verhältnisse erneuerten und festigten
sich die Bindungen an die Wirtschaft des Reiches. Die drei saarländischen Fenster¬
glashütten waren seit der Vorkriegszeit Mitglied des deutschen Verkaufssyndikates
geblieben. 1927 hatten sie eine Beteiligung von 27 Prozent am Absatz in Deutsch¬
land.
Die dargestellte Entwicklung der bedeutenden Industriezweige an der Saar zeigt,
daß die aus dem Versailler Vertrag entstandenen Probleme auf dem Gebiet der
Wirtschaft vornehmlich Absatzprobleme waren. Wenn auch der deutsche Markt
seine Bedeutung, außer für die Kohle, behielt, so hatte doch die vom Friedens¬
vertrag festgelegte Zollgrenze zwischen Saargebiet und Reich zur Folge, daß die
Saarindustrie auch auf den Absatz nach Westen Wert legen mußte. Dieser Sach¬
verhalt kam deutlich bei allen Äußerungen zur zukünftigen Wirtschaftslage nach
der Rückgliederung zum Ausdruck8. Er spielte ebenso eine Rolle bei den deutsch¬
französischen Rückgliederungsverhandlungen 1929/30 und wurde lediglich
zwischen 1933 und 1935 aus politischen Gründen verschwiegen.
Mit der Abtrennung von 1920 wurde das Saargebiet zum Absatzmarkt für die
Lebensmittelerzeugung Ostfrankreichs. Auch auf diesem Gebiet entstanden Fragen
in bezug auf die künftige Rückgliederung. Die deutsche Landwirtschaft im Saar¬
grenzgebiet des Reiches, seit 1920 vom saarländischen Markt abgeschnitten, hoffte,
den früheren Zustand wiederherstellen zu können, war aber vom Umfang ihrer
Produktion her keineswegs in der Lage, sämtliche Bezugsbedürfnisse an Lebens¬
mitteln im Saargebiet zu befriedigen. Die ostfranzösische Landwirtschaft durfte
daher mit künftigen Lieferungen ins Saargebiet auch nach der Rückgliederung
rechnen. Sie stand damit stellvertretend für die gesamte französische Wirtschaft,
der seit 1920 das Saargebiet als Markt offen stand. Die Umstellung der Währung
an der Saar in wachsendem Maße bis zur endgültigen Einführung des französi-
7 Dazu: Lauer, Walter, Die Glas- und Keramindustrie im Saargebiet, in: Kloeve-
körn, Saargebiet, S. 269ff.
8 Siehe z. B. die Beiträge zu den saarländischen Industriezweigen, in: Kloevekorn,
Saargebiet.
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