Full text: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar

4. Parteien und Verbände im Saargebiet 
Im Saargebiet hatte das Parteiwesen nach 1918 eine erhebliche Umschichtung 
erfahren1. 
Der Aufstieg der Zentrumspartei war bereits in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg 
gefallen. Sie blieb auch unter dem Völkerbundsregime die beherrschende Partei 
und konnte bei den Wahlen zum Landesrat zwischen 43 und 48 Prozent der abge¬ 
gebenen Stimmen gewinnen, was in der religiösen und sozialen Struktur, wie sie 
sich vor 1914 entwickelt hatte, begründet war1 2. 
Hingegen hatten die Liberalen bereits in den Wahlen zur Weimarer National¬ 
versammlung 1919, an denen das Saargebiet vor der Entscheidung der Versailler 
Friedenskonferenz noch teilnahm, erhebliche Stimmeneinbußen hinnehmen 
müssen. Eine liberal-demokratische Arbeitsgemeinschaft, die vor allem aus einer 
Frontstellung „gegenüber der roten Flut“ und aus dem Bewußtsein der eigenen 
Schwäche entstanden war, konnte so mit Einschluß der auch künftig wenig be¬ 
deutsamen Deutschnationalen Volkspartei im Saargebiet lediglich 16 Prozent der 
Stimmen erhalten. In Liberale Volkspartei des Saargebiets und Demokratische 
Partei ab 1920 getrennt, vereinigte sich das liberale Lager erst 1924 in der Deutsch- 
Saarländischen Volkspartei. Die verminderte Bedeutung der Liberalen zeigte sich 
im stetigen Rückgang der Wählerstimmen, zu dem auch die Vereinigung von 
Hausbesitz und Landwirtschaft, seit 1928 Deutsche Wirtschaftspartei, beitrug. 
1932 hatte die DSVP im Landesrat des Saargebietes nur noch zwei Sitze. Die her¬ 
vorragende Stellung ihres Vertreters Hermann Röchling wirkte jedoch, nicht nur 
im Saargebiet selbst, auf das Ansehen der Liberalen zurück3. 
Anders entwickelte sich die Sozialdemokratie ab 1920. Sie hatte bei den Wahlen 
zur Nationalversammlung 36 Prozent der Stimmen gewinnen können, was zu 
diesem Zeitpunkt den vollständigen Umbruch im saarländischen Parteileben erst 
recht deutlich macht. Dieser Erfolg blieb aber bis 1935 ein Höhepunkt, da die 
Sozialdemokratische Partei des Saargebietes in den Landesratswahlen ab 1922 nie 
mehr als 18 Prozent der Wählerstimmen, 1932 nur noch 9,6 Prozent erhalten 
konnte. Die wesentlichen Voraussetzungen der Parteientwicklung lagen, ähnlich 
wie beim Zentrum, zum großen Teile in der Vorkriegszeit4. So ließ sich die Ent¬ 
wicklung der Sozialdemokratie zu einer saarländischen Arbeitermassenpartei nicht 
in dem Umfang nachholen, daß sie etwa gleich stark wie das Zentrum geworden 
wäre. Der auch nach 1920 großenteils katholische Charakter des Saargebietes war 
ein entscheidendes Hindernis auf diesem Wege5. 
Ferner waren im Aufstieg der Kommunistischen Partei zwischen 1922 und 1932 
Gründe für die Schwierigkeiten der Sozialdemokratie zu suchen. Hatte die Unab¬ 
hängige Sozialdemokratische Partei 1919 nur 0,5 Prozent der Stimmen bei den 
Wahlen zur Nationalversammlung erlangt, so wuchs die Bedeutung der Kommu¬ 
1 Das Nachstehende über die Parteien folgt im Wesentlichen der Darstellung von Zen- 
n e r , Parteien, S. 152—208. 
2 Z e n n e r , Parteien, S. 152. 
3 Ebda., S. 170—174. 
4 Vgl. oben S. 19. 
6 Z e n n e r , Parteien, S. 179—182. 
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