den Einfluß ihres ersten Präsidenten, des französischen Staatsrates Victor Rault,
sogleich begann, die Einwirkung von Deutschland aus, insbesondere die Tätigkeit
der Beamten, die noch im Dienstverhältnis zu deutschen Behörden standen, aus¬
zuschalten4. In die gleiche Richtung liefen die erfolgreichen Maßnahmen, im Saar¬
gebiet auf dem Gebiet des Post- und Eisenbahnwesens eine eigene Verwaltung
zu errichten5, sowie die Schaffung eines Saarwappens und einer Saarflagge6.
Das deutlichste Zeichen der Unabhängigkeit von Deutschland war jedoch der
Aufbau eines saarländischen Regierungsapparates. Noch bevor die Regierungs-
kommission ihr Amt antrat, scheinen im Juli 1919 von unbekannter Seite Pläne
für den Aufbau einer Saarregierung gemacht worden zu sein. Der Zentrumspoliti¬
ker Geheimrat Dr. Muth bot in diesem Zusammenhang dem späteren Oberbür¬
germeister von Saarbrücken, Dr. Hans Neikes, den Posten eines Direktors der
inneren Abteilung an7. Neikes verfaßte daraufhin Vorschläge für den Aufbau
der neuen Zentralbehörde8. Sie sahen sieben Ministerien vor, die in mancher
Beziehung von der Regierungskommission unabhängig sein sollten. Das Reichs¬
gericht blieb demnach als Revisionsinstanz, aber nur in Zivilsachen, für das
Saargebiet zuständig, ebenso eine Anzahl anderer Reichsbehörden. Neikes zog
sich jedoch, als ihm die Rolle Muths nicht ganz durchsichtig erschien, von der
Kandidatur für eine leitende Stelle in der Zentralverwaltung zurück9. Die Re¬
gierungskommission baute danach einen Regierungsapparat auf, der in seinen
Ministerialabteilungen je einem Mitglied der Regierungskommission unterstand10 11.
War von der Verwaltung her die Trennung von Deutschland vollständig, so
tauchten von Anfang an Probleme auf, die im Interesse der Saarbevölkerung
zwischen der Regierungskommission und Deutschland schnellstens zu regeln
waren, jedoch wegen des ungünstigen Verhältnisses zwischen beiden erst nach
Jahren eine befriedigende Regelung fanden11.
Die gespannten Beziehungen der Regierungskommission zur saarländischen Öf¬
fentlichkeit und zum Reich fanden ihren Höhepunkt im Streik des Jahres 1923.
4 Vgl. besonders den Briefwechsel betr. die Deutsche Bergwerkskommission Saarbrücken
und die Preuß. Bergwerksdirektion (Abwicklungsstelle Saarbrücken), in: Das Saar¬
gebiet unter der Herrschaft des Waffenstillstandsabkommens und des Vertrags von
Versailles (Deutsches Weißbuch), Berlin 1921, S. 144ff. und 319ff. Die Akten der
Deutschen Bergwerkskommission aus der Zeit von 1919 bis 1935 lagern heute im StA
Koblenz unter der Signatur Abt. 564 Nr. 2256—2340.
5 Dt. Weißbuch, S. 101—114.
6 Wehberg, Saargebiet, S. 11 hält diese Maßnahmen für zulässig.
7 Aufzeichnung Neikes’ v. 10.11.1925: StadtA Saarbrücken, Best. Großstadt. Nr. 1849.
8 „Vorschläge über die Einrichtung der Verwaltung des neu zu bildenden Saarstaates“
v. 27.8.1919: ebda.
9 Vgl. Anm. 7 sowie Z e n n e r, Parteien, S. 154. Zu Neikes vgl. den Aufsatz des Verf.
„Oberbürgermeister Hans Neikes, eine bedeutende Persönlichkeit im Saargebiet“,
in: Zschr. f. d. Geschichte der Saargegend 19, 1971, S. 497—508.
10 Es handelte sich um die Abteilung des Präsidenten, die die Direktion des Innern und
des Kabinetts umfaßte, die Ministerialabteilung für Post- und Verkehrswesen, die
MinAbt. für öffentliche Arbeiten, die MinAbt. für Volkswohlfahrt, Gesundheits¬
wesen, Landwirtschaft, Forsten, Sozialversicherung und Arbeitsamt, die MinAbt. für
Finanzen und Wirtschaftliche Angelegenheiten sowie die MinAbt. für Justiz, Kultus
und Schulwesen.
11 So regelte die Abrede zwischen Reichsregierung und Regierungskommission v. 31.5./
21.7.1923 die Fragen der Sozialversicherung (RGBl. Teil II, S. 373ff.).
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