hatten. Das wurde dann auch in der Präambel zum Saarstatut des Versailler Ver¬
trages zum Ausdruck gebracht4. Weder politisch noch kulturell bildete die Saar¬
gegend 1919 eine Einheit, und so war die wirtschaftliche Struktur in der Tat der
einzige Grund, von einem „bassin de la Sarre“ zu sprechen5.
Im 19. Jahrhundert hatten sich der vom preußischen Staat betriebene Steinkohlen¬
bergbau und die eisenschaffende Industrie in stetem Aufstieg seit der Angliederung
des Saarraumes an Preußen und Bayern zu den Hauptfaktoren des wirtschaft¬
lichen Lebens entwickelt6. Vor allem die zweite Hälfte des Jahrhunderts brachte
mit dem Bau des Eisenbahnnetzes und Saarkohlenkanals den verkehrsmäßigen
Anschluß an das Rheinland, an den süddeutschen und den ostfranzösischen Raum.
Der erleichterte Absatz nach Deutschland und die geschaffene Verkehrsverbindung
zwischen der Saarkohle und der Erzbasis in Lothringen machten eine Blüte der
Schwerindustrie möglich7. In gewissem Maße galt das auch für die Glas- und
die Keramikindustrie. Die Angliedcrung Elsaß-Lothringens 1871 verschaffte dem
Saarindustrierevier eine zentrale Stellung im neuen südwestdeutschen Wirtschafts¬
gebiet, die erst die Trennung des Saargebietes von Lothringen 1919 schmälerte.
Der Aufstieg der Eisenindustrie setzte sich trotz einiger Rückschläge bis zum
Ersten Weltkrieg fort. Am Ende dieser Bewegung konzentrierte sich die Eisen¬
industrie auf die fünf großen Werke in Neunkirchen, Burbach, Brebach, Völk¬
lingen und Dillingen. Nicht ganz so günstig entwickelte sich der fiskalische Stein¬
kohlenbergbau. Immerhin steigerte sich die jährliche Kohlenförderung zwischen
1890 und 1913 um sechs Millionen Tonnen auf zwölf Millionen Tonnen.
Das soziale Leben zeigte im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Eigenart, wie sie in
keinem anderen deutschen Industriegebiet zu finden war. Der wachsende Bedarf
an Arbeitskräften wurde vor allem durch Zuzug aus dem Hinterland des Huns¬
rücks und der bayerischen Pfalz gedeckt8, so daß der Herkunft nach eine gleiche
Bevölkerung blieb. Der katholische Bevölkerungsteil gewann durch die Zuwande¬
rung nach der Mitte des 19. Jahrhunderts das zahlenmäßige Übergewicht9. Zur
4 Versailler Vertrag Art. 45. Ausgabe: Niemeyer, Theodor (Hg.), Die Friedens¬
schlüsse 1918—1921 (Jahrbuch des Völkerrechts, 8), München und Leipzig 1922.
5Tardieu, La Paix, S. 283f., Mantoux, Paul, Les Délibérations du Conseil des
Quatre, Tome 1, Paris 1955, S. 65f.
• Die gesamte Industrie an der Saar behandelt Haßlacher, Anton, Das Industriege¬
biet an der Saar und seine hauptsächlichsten Industriezweige (Mittlgg. des Histor. Vereins
für die Saargegend, 12), Saarbrücken 1912; ferner: Lehmann, Werner, Abriß der
Wirtschaftsgeschichte des Saargebietes, Saarbrücken 1925. Zum Bergbau vgl. H a fi¬
la cher, A., Geschichtliche Entwickelung des Steinkohlenbergbaues im Saargebiete
(Der Steinkohlenbergbau des Preußischen Staates in der Umgebung von Saarbrücken,
Teil II), Berlin 1904. Zur Eisenindustrie: Born, Wilhelm, Die wirtschaftliche Ent¬
wicklung der Saar-Großeisenindustrie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Diss. Tü¬
bingen 1919; P a e g e, Wilhelm, Die geschichtliche Entwicklung der Eisenindustrie
im Saargebiet, insbesondere seit Anfang des 19. Jahrhunderts, Diss. Köln 1921;
К о 11 m a n n , Julius, Die Großindustrie des Saargebietes. Eine zusammenhängende
Darstellung der geschichtlichen und technischen Entwicklung bis auf den gegen¬
wärtigen Stand, Stuttgart 1911. Für den ferner wichtigen Zweig der Glasindustrie
siehe Lauer, Walter, Die Glasindustrie im Saargebiet, Diss. Tübingen 1922.
7 B e 11 о t, Josef, Hundert Jahre politisches Leben an der Saar, S. 5f.
8 Hierzu siehe R i x e с к e r, Bevölkerungsverteilung im Saargebiet, Diss. Berlin 1930.
9 S t r a u s , Emil, Die gesellschaftliche Gliederung des Saargebietes. Eine soziographische
Beschreibung, Diss. Frankfurt/M. 1935, S. 43f.
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