Hitler ihm das Saargebiet nach der Rückgliederung unterstellte8, dies die Folge
seiner leitenden Funktion in der deutschen Saarpolitik. Trotz der außenpoli¬
tischen Bedenken des Außenministers gegen die Weiterexistenz des durch den
Friedensvertrag entstandenen Gebietes9 war Hitlers Entscheidung endgültig.
Im Reichsinnenministerium wurde nun versucht, Bürckels Stellung so zu ge¬
stalten, daß sie als Etappe zur Reichsreform dienen konnte. Die Betonung eines
zentralistischen Reichsaufbaus und außenpolitische Bedenken veranlaßten das
Ministerium, die Begriffe „Land“ oder „Reichsland“ für das Saargebiet von
vornherein auszuschließen10 11. Was zwischen diesen Überlegungen und den Be¬
ratungen der Reichsressorts nach dem 9. Januar 1935 zwischen Hitler und
Bürckel abgemacht wurde, ist unbekannt. Vermutlich setzte Bürckel durch, daß
ihm keine preußische Provinz, wie es am 6. Januar noch erwogen worden war,
sondern die dann beschlossene, von Preußen und Bayern unabhängige Verwal¬
tungseinheit unterstellt wurde11. Alle drei Entwürfe zu dem am 30. Januar
1935 verkündeten „Gesetz über die vorläufige Verwaltung des Saarlandes“12
enthielten diese Grundzüge. Die Unterschiede zwischen dem ersten Entwurf
vom 9. Januar und der endgültigen Fassung betreffen Einzelheiten, die teilweise
aus politischen Überlegungen erwachsen waren. So wurde im zweiten Entwurf
vom 14. Januar das Wort „Rückgliederung“ fortgelassen, da nach deutscher
Auffassung das Saargebiet auch nach 1920 staatsrechtlich zum Reich gehörte13.
Ebenso entfiel die Bezeichnung „Gebietskörperschaft“14. Der Völkerbund wurde
nicht mehr erwähnt und aus außenpolitischen Gründen die Bezeichnung „Saar¬
land“ eingeführt15. Bürckel sicherte sich das Recht, bei der Rückgliederungs¬
gesetzgebung angchört zu werden, und setzte durch, daß der ursprünglich für
verdiente Saarländer vorgesehene Beirat gar nicht erst ernannt wurde. Der in
§ 2 des Saarland-Gesetzes genannte Regierungspräsident als Bürckels Stellver¬
treter erhielt größere Befugnisse16. Das Saarland-Gesetz ging, unter Berück¬
8 Aufzeichng. des MR Litter (RFM) v. 14.12.34: BA R 2/20380; Jolas-Erinnerungen,
Bd. 3, S. 171f. Für den Oberpräsidenten der Rheinprov. kam die Entscheidung Hit¬
lers völlig überraschend. Vgl. seinen Bericht v. 24.12.34 an StS Grauen (RuPrMdl):
GehStA, Rep. 77 Nr. 36.
9 Sehr, des Außenministers v. 7.1.35 an den RMdl: BA R 431/256, BI. 249. Diese Beden¬
ken hebt auch Jolas in seinen Erinnerungen, Bd. 3, S. 172 hervor.
10 Aufzeichng. des MR Nicolai v. 29.12.34 für StS Pfundtner, Aufzeichng. des StS v.
6.1.35 mit Anl. für den Min., Verm. des ORR Vollen (RuPrMdl) v. 6.1.35: BA,
Rep. 320 Nr. 410.
11 Beide Schriftstücke v. 6.1. (Anm. 10) weisen auf Bürckels Aufenthalt in Berlin. Die Er¬
wartung, daß das Saargebiet mit der Pfalz vereinigt vüirde, spricht aus der vertrl.
Presseinformation v. 17.1.35 (BA ZSg. 101/28, Bl. 13). Vgl. auch S.L.Z. Nr. 11 v.
12.1.35: „Gauleiter Bürckel Reichskommissar“ und Nr. 22 v. 23.1.35: „Zwanzig
Reichsgaue.“
12 RGBl. Teil I, 1935, S. 66ff. (künftig als Saarlandgesetz bezeichnet). Vgl. Entw. v.
9.1.35 BA R 2/5831 a) und die Entwürfe v. 14. u. 19.1.35 (BA, Rep. 320 Nr. 410).
13 Vgl. oben S. 25 Anm. 3.
14 Aufzeichng. des MR Medicus v. 14.1.35: BA, Rep. 320 Nr. 410.
15 Rohentw. v. 17.1.35: BA R 431/256, Bl. 241; Aufzeichng. des MR Litter (RFM) v.
17.1.35: BA R 2/12236; Verm. der Reichskanzlei v. 18.1.35: BA R 431/256, Bl. 244.
10 Verm. des MR Medicus v. 19.1.35 sowie Aufzeichng. des StS Pfundtner v. 19.1., Verm.
des MR Medicus (o.D.) zu Bürckels Wünschen: BA, Rep. 320 Nr. 410; Rdschr.
des RMdl v. 24.1.35: BA R 431/256, Bl. 269. Der Entwurf des Saarland-Gesetzes
v. 19.1.35 ersetzte die Bezeichnung „Vizepräsident“ durch „Regierungspräsident“.
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