Zweites Kapitel
Die innenpolitischen Probleme des Saarlandes
nach der Rückgliederung
1. Die Rückgliederungsplanung der Ministerialbürokratie
Die politischen Probleme der Abstimmung hatten bis 1935 eindeutig den Vor¬
rang vor der Rückgliederungsplanung der Bürokratie. Dieser Sachverhalt un¬
terscheidet die Rückgliederungsverhandlungen von 1929/30, die teilweise bis ins
Einzelne gehende Pläne mit sich brachten, von der Planung vor 1935. Zwar mag
das Erfordernis, Frankreich gegenüber 1929 feste Vorstellungen einer vorzei¬
tigen Rückgliederung zu haben, teilweise den Unterschied erklären. Doch fan¬
den Anregungen, die 1934 für die wirtschaftliche Rückgliederungsplanung von
Behörden und Wirtschaftskreisen1 ausgingen, nur ein geringes Echo, ein Zei¬
chen, daß die Reichsführung die politischen Probleme vorrangig behandelte.
Auch die Anweisung an die Reichspresse, wirtschaftliche Rückgliederungsfra¬
gen nur mit Vorsicht zu behandeln1 2, deutet die mangelnde Konzeption in der
Wirtschaftsplanung an. Offiziell wurde die wirtschaftliche Zukunft des Saarge¬
biets nach der Rückgliederung jedoch mit großem Optimismus gesehen3. Wirt¬
schaftliche Maßnahmen hatten Bedeutung, sobald ein politischer Hintergrund
bestand. Ein solcher Fall ist die 1933 und 1934 durchgeführte Ablösung fran¬
zösischer Kleinkredite und Hypotheken mit Reichsmitteln durch den national¬
sozialistischen „Trutzbund für wirtschaftliche Gerechtigkeit“ unter Mitwirkung
der NSDAP-Saar und des preußischen Saarvertrauensmannes. Dagegen gelang
vor dem Römischen Abkommen vom 3. Dezember 1934 keine umfassende Re¬
gelung der Kreditlage der Saarwirtschaft4. Gleichermaßen begann die Rück¬
1 Vgl. Rdschr. des Gestapo-Amtes v. 29.1.34: BA R 431/260, Bl. 32ff.; Vertrauliche
Presseinformationen v. 20.2. u. 25-5.34: BA ZSg. 101/27, Bl. 17 u. 181 ff.; Rdschr.
des Preuß. Innenministers v. 21.3.34, Aufzeichnung Voigts v. 28.3.34 mit Anlage
(„Richtlinien für einen Generalwirtschaftsplan für das. .. Saargebiet nach (der) Rück-
gliederung“): AA... betr. Wirtschaftliche Angelegenheiten, Bd. 25.
2 Presseanweisungen v. 27.9. u. 22.10.34: BA ZSg. 101/4, Bl. 126 u. 154 sowie ZSG
102/1 (27. Ausrichtung).
3 Vgl. Gewerkschaftliche Rundschau. Halbmonatsschrift der Deutschen Gewerkschafts¬
front-Saar, Nr. 8 v. 19.4.34: „Die wirtschaftliche Seite der Saar-Rückgliederung“;
Röchling, Wir halten die Saar! S. 130ff.; К a r c h e г, Bodo, Saarwirtschaft und
Rückgliederung, in: Grabowsky-Sante, Grundlagen, S. 280ff. Bemerkenswert
ist, daß in dem Sammelwerk von Grabowsky-Sante außer dem kaum konkrete An¬
gaben enthaltenden Beitrag von Karcher die Wirtschaftsprobleme des Saargebietes
fast nicht behandelt werden. Vgl. auch В а 1 к, Saar, S. 122ff.; ferner: Presseanwei¬
sung v. 12.12.34: BA ZSg. 101/4, Bl. 213.
4 Sehr, des Vizekanzlers v. 13.6.33 an den RWiM und dessen Antw. v. 29.6.33: BA
R 53/91, Bl. 3ff; Sehr, des Min.dir. Laverrenz (Preuß. Handelsmin.) v. 14.9.33 an
StS Lammers: BA R 431/253, Bl. 215; Handelsbericht der Reichsbankstelle Saar¬
brücken 1932/33: ebda., BI. 414f. Weitere Vorgänge siehe GehStA, P 134/288; ferner:
Verm. Voigts v. 8.1.34, Rdschr. des „Trutzbundes“ v. Dez. 33, Niedersehr, einer
Besprechung der beteiligten Reichsressorts v. 31.1.34 sowie weitere Vorgänge: AA ...
betr. Wirtschaft!. Angelegenheiten, Bd. 25-28. Vgl. auch SDN JO XV 1934, S. 1634ff.
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