Full text: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar

Hitler abgesprochen hatte39, zugezogen. Der Gauleiter konzentrierte sich hier¬ 
bei auf Bemühungen, die politische Tätigkeit von Emigranten im Saargebiet zu 
unterbinden, machte aber bei Aloisi weniger Eindruck als Voigts sachliche Aus¬ 
führungen40. In der Emigrantenfrage deutete Aloisi an, daß die reichsdeutschen 
Flüchtlinge von einer weitergehenden Garantie für alle Saareinwohner ausge¬ 
schlossen blieben. Trotzdem lehnte Voigt mit Bürckel jede weitere Garantie 
ab41. Im September 1934 hatte eine Denkschrift des Comité des Délégations 
juives in Paris beim Völkerbund Vorgelegen42, gestützt durch Gutachten der 
beim Völkerbund angesehenen Juristen Manley O. Hudson und Maurice Bour- 
quin, die für einen Minderheitenschutz nach der Rückgliederung eintraten. Ent¬ 
scheidend für den schwindenden deutschen Widerstand gegen eine weiterge¬ 
hende Garantie wurde die Erklärung Aloisis, der Völkerbund werde dem Reich 
nach § 39 des Saarstatuts eine Minderheitsregelung auferlegen43. Deshalb war 
Hitler schließlich mit der Garantie für Nichtabstimmungsberechtigte einver¬ 
standen, wenn sie die reichsdeutschen Emigranten nicht einschlösse und der 
Kreis der Auswanderungsberechtigten nicht zu weit sei. Dagegen war Hitler 
gegen die Zusage, die Ariergesetzgebung während eines Jahres nach der Rück¬ 
gliederung nicht einzuführen, denn damit werde zugegeben, daß die deutsche 
Gesetzgebung Schutz des Lebens und der Freiheit nicht gewährleiste. Auf die¬ 
sem Punkt bestand allerdings das Dreierkomitee, dem ferner die deutschen Vor¬ 
stellungen zur Auswanderung — allen Auswandernden nebst Frauen und 
Kindern sollte automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden 
— zu rigoros erschienen44. Hitler zeigte sich nachgiebiger als Bürckel und 
gestand die noch strittigen Punkte am 27. November zu: „Auf diese Kleinig¬ 
keiten käme es bei der Regelung der Saarfrage nicht an“45. Am 3. Dezember 
1934 bestätigten Deutschland und Frankreich, daß sie die Zusage vom 2. Juni auf 
die nichtabstimmungsberechtigten Saareinwohner beziehen würden46. Zwar ak¬ 
zeptierte die Reichsregierung damit weitere Beschränkungen, doch hoben die 
deutschen Diplomaten hervor, daß dadurch die politisch Mißliebigen von selbst 
das Saargebiet verlassen würden47. Frankreich hatte sich nach dem Tode 
39 Vermerke der Reichskanzlei v. 2. und 3.11.34: BA R 431/255, Bl. 325. 
40 Sehr. Bürckels v. 3.11.34 an das AA: AA... betr. Pol.Ang.adh.Emigranten, Bd. 3; 
DGFP, C, Bd. 3, Nr. 299 S. 573f. 
41 Ebda.. Nr. 309 S. 594ff. 
42 Text in: AA... betr. Pol.Ang.Allg., Bd. 66; dazu: Verm. Voigts v. 18.9.34 mit Notiz 
von Min.dir. Gaus: ebda. Mit Drahtbericht v. 9.11.34 (ebda., Bd. 68) erwähnte der 
Botschafter in Paris die Reise eines Mitgliedes des jüdischen Komitees nach Rom zum 
Dreierkomitee. Langfelder, Otto, Die völkerrechtliche Rückgliederung der Saar, 
Diss. Greifswald 1936, S. 39 betont die Bedeutung der Eingabe des „Comité pp.“. 
43 Drahtbericht des Botschafters in Rom v. 13.11.34 u. Drahterl. des AA v. 14.11.: 
AA ... betr. Abstimmung adh. VI Verhandlungen mit dem Dreierkomitee, Bd. 1. 
44 Telefonische Weisung an Voigt v. 22.11.34: ebda, sowie Drahtbericht v. Voigt u. Has¬ 
sel v. 23.11.: ebda., Bd. 2. Am 22.11. übergab die „Union mondiale des Sionistes 
révisionistes“ Aloisi eine Denkschr. gegen die deutsche Judengesetzgebung. Abschr. 
davon u. Drahtbericht des Botschafters in Rom v. 28.11.34: AA ... betr. Pol.Ang. 
Allg., Bd. 69. 
45 DGFP, C, Bd. 3, Nr. 357 (aus: AA ... betr. Abstimmung adh. VI Verhandlungen mit 
dem Dreierkomitee, Bd. 2). 
48 SDN JO XV 1934, S. 1700-1702; RGBl. Teil II, 1935, S. 123ff. 
47 DGFP, C, Bd. 3, Nr. 372 S. 703 u. Nr. 373 S.705. 
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