Full text: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar

verleiht dem politischen Geschehen an der Saar zwischen 1933 und 1935 ein 
Interesse, das über das Lokalpolitische hinaus geht. Davon geht die nachstehende 
Darstellung aus, um im Einzelnen zu zeigen, wie das nationalsozialistische 
Deutschland durch den Appell an das Nationalgefühl und massive Propaganda 
auf ein Abstimmungsergebnis zu seinen Gunsten hinarbeitete. Die Folge war 
nicht nur die für Deutschland günstig verlaufene Abstimmung, sondern auch 
eine weitgehende Umgestaltung des innenpolitischen Lebens an der Saar bereits 
vor der international festgelegten Rückgliederung, so daß teilweise von einer 
vorverlegten Gleichschaltung gesprochen werden kann. Daher sind ferner Wege 
und Techniken des reichsdeutschen Einflusses zu behandeln, um schließlich die 
nachgeholten Phasen der nationalsozialistischen Innenpolitik nach der Rückglie¬ 
derung am 1. März 1935 nachzuzeichnen. Als einer der frühesten und wohl auch 
erfolgreichsten Versuche des nationalsozialistischen Regimes, eine deutsche Bevöl¬ 
kerungsgruppe jenseits der Reichsgrenzen gleichzuschalten, liefert die deutsche 
Saarpolitik ab 1933 interessante Aspekte zur frühen nationalsozialistischen Außen¬ 
politik. 
Vom Verlauf der nationalsozialistischen Saarpolitik her erscheint es unumgäng¬ 
lich, wichtige Ausschnitte der Saarpolitik des Reiches und der Länder Preußen 
und Bayern vor 1933 zu umreißen. Die in der Forschung anerkannte Tatsache, 
daß das neue Regime in Deutschland nicht zuletzt durch die Mitarbeit des über¬ 
kommenen Staatsapparats seinen Bestand sicherte8, gilt auch für die deutsche 
Saarpolitik nach 1933. So beginnt die Darstellung der Rückgliederungsfrage von 
1935 mit der Abtrennung des Saargebietes durch den Versailler Vertrag und 
zieht die im 19. Jahrhundert entstandenen Strukturen der seit 1815 unter preus- 
sischer und bayerischer Herrschaft stehenden Saargegend heran. Da die Rück¬ 
gliederung 1935 im politischen Bereich keineswegs abgeschlossen war, gehören 
zur Rückgliederungsproblematik auch Probleme, die erst während der Abstim¬ 
mungszeit entstanden. Es sind dies vornehmlich die Umgestaltung und der Neu¬ 
aufbau der saarländischen Zentralverwaltung unter dem Reichskommissar für die 
Rückgliederung des Saarlandes, Josef Bürckel, ferner die Auswirkungen der 1934 
von Deutschland abgegebenen Garantieerklärungen für Gegner einer Rückgliede¬ 
rung an Deutschland sowie die Lage der Katholiken im Saarland nach 1935. So¬ 
wohl die deutsche Einstellung gegenüber den Garantieerklärungen als auch die 
Situation der saarländischen Katholiken wandelten sich entscheidend im Jahre 
1937, das die völlige Gleichschaltung mit dem übrigen Reichsgebiet in innenpo¬ 
litischer Hinsicht brachte und zugleich die letzten Illusionen saarländischer Katho¬ 
liken über die religionspolitischen Absichten der Nationalsozialisten zerstörte. 
Die Behandlung der Zeit nach 1933 muß der für alle reichsdeutsche Einwirkung 
repräsentativen Entwicklung der Deutschen Front, des Zusammenschlusses aller 
“Bracher, Deutsche Diktatur, S. 251; Bracher, K. D., Sauer, Wolfgang und 
Gerhard Schulz, Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errich¬ 
tung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34 (Schriften des Insti¬ 
tuts für Politische Wissenschaft, 14), Köln-Opladen 1960, S. 971; Diehl-Thiele, 
Peter, Partei und Staat im Dritten Reich. Untersuchungen zum Verhältnis von NSDAP 
und innerer Staatsverwaltung 1933—1945 (Münchener Studien zur Politik, 9), Mün¬ 
chen 1969, S. 8 und 14f. 
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