ihre Markbeträge, so mußten sie schleunigst eine Bank oder Wechselstube
aufsuchen, um eine stabilere Währung zu erhalten, was normalerweise der
Franken war. Bei Einkäufen mußten sie dann in der gleichen Weise Vorgehen
wie die Frankenempfänger301.
Eine Regelung der öffentlichen Finanzen war nicht möglich, da der Wert
der Einnahmen in Mark nicht im voraus abgeschätzt werden konnte, und
die wichtigsten direkten Steuern wurden bis zu ihrer Fälligkeit wertlos302. Noch
schlimmer war die Lage der öffentlichen Unternehmen (Straßenbahnen, Wasser-,
Gas-, Elektrizitätswerke), da diese sämtliche Rohstoffe, Kohlen, Strom, Eisen
usw. in französischer Währung bezahlen, jedoch ihre Taxen in Mark erheben
mußten. Im Handel und Gewerbe war eine Kalkulation des Verkaufspreises
einer Ware längst nicht mehr möglich, da die Kaufleute den größten Teil
ihrer Waren in Deutschland einkaufen mußten. So wurde jedes gewerbliche
und kaufmännische Gebühren zur Spekulation. Die Hauptindustriezweige des
Saargebietes, der Bergbau und die Eisenindustrie, tätigten ihre Geschäfte aus¬
schließlich in Franken. Diese Industriezweige hatten 1921 Schwierigkeiten, ihre
Produkte nach Deutschland zu verkaufen. Infolge der Steigerung der deutschen
Preise, welche 1922 die Weltmarktpreise erreichten, konnten die deutschen
Preise unterboten werden. Produktionszahlen und Absatzzahlen geben ein deut¬
liches Bild der Entwicklung der Saarindustrie bis 1923303. Die anderen Industrie¬
zweige des Saargebietes hatten weiter mit deutschem Geld gearbeitet, hauptsäch¬
lich wegen der Zahlung der Gehälter. Diese Industriezweige waren jedoch
gezwungen, die Rohprodukte wie Kohle, Eisen, Stahl usw. in Franken zu
bezahlen. Die verfügbaren Mittel in Mark wurden infolge der Markentwertung
immer wertloser. Zudem mußten diese Unternehmen ihre Ware in Frankreich
absetzen, um Franken zu erhalten. Im Saargebiet wie in Deutschland hatte
die Geldinflation eine Vermehrung der Banken und Industrieunternehmungen
301 Leider berücksichtigt die während der Völkerbundsregierung erschienene Literatur
diese praktische Seite der Markentwertung und Doppelwährung im Saargebiet fast
nicht.
302 LA. Saarbrücken, Schneider-Becker-Archiv, Abt. Privatpapiere R. Becker Nr. 88.
303
Jahr
Kohleproduktion
Roheisenproduktion
Stahlproduktion
1919
8 278 209 t
631 065 t
713 860 t
1920
9 410 000 t
643 715 t
739 710 t
1921
9 574 000 t
896 096 t
986 867 t
1922
11 240 000 t
1 156 550 t
1 312 745 t
1923
9 192 000 t
929 363 t
1 063 849 t
Absatz der Saarkohle
Absatz d
er Saarkohle
Jahr
Saargebiet
Deutschland
Frankreich mit Lothringen
1913
4 034 877 t
4 278 434 t
2 468 735 t
1920
2 851 719 t
70 917 t
4 502 158 t
1921
2 815 622 t
313 975 t
3 229 805 t
1922
3 571 874 t
1 265 520 t
3 915 509 t
1923
2 860 147 t
372 675 t
3 556 961 t
Lebensfragen der Saarwirtschaft, hrsg. von der Handelskammer Saarbrücken.
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