Die Geschäftsentwicklung des Bankhauses von 1872 bis 1886 anhand der
Bruttobilanzen
Da für die Zeit von 1872 bis 1895 mit Ausnahme des Jahres 1874, für das
die einzige Nettobilanz vorhanden ist, lediglich die Umsatzbilanzen aufgestellt
werden konnten77, soll im folgenden Teil versucht werden, das vorhandene
Zahlenmaterial aufzuschlüsseln und mit dem regionalen Wirtschaftsverlauf zu
vergleichen. Werden Umsatzbeträge herangezogen, um Aussagen über den
Werdegang einer Bank zu machen, so scheint mir dies für die Betrachtung
einer längeren Periode zweckmäßig. Voraussetzung jedoch ist, daß das Material
(Hauptbücher etc.) sinnvoll aufgegliedert werden kann. Dies bedeutet bei einer
Bank, daß lediglich die Loroumsätze berücksichtigt werden können, nicht aber
die Nostroumsätze. Es gilt hierbei vor allem, die „unechten Umsätze“ auszu¬
schalten, die den Umsatz aufblähen und daher seine Aussagefähigkeit stark
beeinträchtigen. „Echte Umsätze“ bei einer Bank sind zum Beispiel die ver¬
schiedenen Buchungen auf den Kundenkonten, während „unechte Umsätze“
die Verbuchungen über Verrechnungskonten darstellen, wie sie häufig zwischen
Zentrale und Filiale Vorkommen. Im folgenden werden die Einzelumsätze auf
dem Wechsel-, Cassa-, Kontokorrent- und Effektenkonto mit dem Gesamt¬
umsatz verglichen. Ferner soll ein Vergleich mit der Situation in der Wirtschaft
des Saarreviers durchgeführt werden. Für eine Analyse der Umsätze des Bank¬
hauses Lazard, Brach & Co. spricht ferner die gleichbleibende Führung des
Hauptbuches durch Myrtil Lazard, der die Eintragungen ins Hauptbuch von
1872 bis 1898 nach der gleichen Methode vornahm, so daß größere Änderungen
in der Zusammensetzung der Umsatzzahlen nicht anzunehmen sind. Im ersten
Geschäftsjahr 1872 erreichte das Bankhaus einen Umsatz auf einer Seite des
Hauptbuches von 4 871 439 Tlr. 11 Sgr. 5 Pfg. (= 14 614 328,14 Mark).
Im zweiten Geschäftsjahr 1873 wurde dieser Betrag mehr als verdoppelt78.
1874 betrug der Gesamtumsatz 41,5 Millionen Mark, sank aber 1876 auf 34,4
Millionen Mark und stieg 1877 wieder auf den Stand von 1874. Parallel zum
Gesamtumsatz verliefen der Wechsel-, Kontokorrent- und Kassenumsatz. Ledig¬
lich der Umsatz auf dem Effektenkonto (Effekten für eigene Rechnung) sank
bis 1878 ständig, was auf einen vorsichtigen Umgang mit Effekten schließen
läßt. Dies bestätigt auch der Rückgang der Effektenbestände bis 187979.
Das Jahr 1876 war demnach für das Bankhaus Lazard, Brach & Co. sehr
ungünstig. Interessant ist ein Vergleich mit anderen Banken im Deutschen
Reich, wobei die Berliner Banken ihrer führenden Rolle wegen sich hierzu gut
77 Für die Zeit 1872—1895 ist nur das Hauptbuch der Firma Lazard, Brach und Co.
vorhanden.
78 Vgl. Anlage 1.
79 Wie eine Aufstellung der Effektenbestände per 31. Dezember 1874 zeigt, setzten diese
sich vor allem aus Bankaktien (Luxemburger Bankaktien, Bergisch Märkische Bank)
Bahnaktien oder Prioritäten (3 Vs fl/o Cöln-Mindener, 5 Vo Elisabeth-Bahn Prioritäten,
5 °/o Nordwest-Bahn-Prioritäten, 3 ®/o neue Staatsbahn Prioritäten) und Stadtobliga¬
tionen (Berliner und Mannheimer Stadtobligationen) zusammen. Hinzu kamen noch
einige Staatsschuldscheine und 2000 Taler Kruppsche Anleihe. Der Effektenbestand
betrug Ende 1874 109 520,61 Mark (ASKB-BU-1874).
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