Geschwister des Pfalzgrafen Gottfried. Wie läßt sich das verstehen? Eine Erklä¬
rungsmöglichkeit liegt zumindest nahe: Ermentruds innere Bindungen zu diesen
Personen waren verblaßt. Da nämlich Gottfrieds Vater Gerhard offenbar schon
91020, jedenfalls aber lange vor Gottfrieds Verehelichung, und Ermentruds Mut¬
ter Frederuna 916/17 verstorben sind21, ihr Vater Karl d. Einf. 923 abgesetzt
wurde und 929 in der Gefangenschaft bei Herbert von Vermandois starb, wird
man — zumal Karl d. Einf. sich nach Frederunas Tode mit der englischen Prin¬
zessin Edgiva wiederverheiratet hatte — bei Ermentrud, die, wie schon angedeu¬
tet, den Eintrag in den 50er Jahren des 10. Jahrhunderts veranlaßt haben dürfte,
die persönlichen Bindungen zu jenen Personen in der Tat schon als abgeklungen
betrachten dürfen. Gottfrieds Mutter Oda lebte hingegen 952 noch22, Wigfried
von Köln verstarb erst 953 und Uda, die Gemahlin Gozlins, erst nach 96323.
Vielleicht läßt sich das Fehlen dieser Namen im Totenteil so deuten, daß alle drei
zur Zeit der Anfertigung des Eintrages noch lebten und lediglich wegen irgend¬
welcher familiärer Spannungen oder nicht ganz so herzlicher Familienbeziehungen
bei dem Gedenken der Lebenden nicht berücksichtigt wurden; dann könnte man
diesen Eintrag auch in die Zeit zwischen 949 und 953 einengen. Doch muß das
letztere freilich Hypothese bleiben.
Was Ermentruds Verbindungen zu ihrer eigenen Herkunftssippe anbetrifft, die
im Eintrag so wenig greifbar wird, mag ähnliches gelten. Da sie aber immerhin
des Grafen Hagano, der bei König Karl d. Einf. in vertrautester Stellung stand
20 Gerhard wird zum letzten Mal am 18. Januar 908 in einem Diplom König Lud¬
wigs d. K. genannt, und zwar wird dort von Gerardo quondam comité gesprochen;
MG DD Ludwig d. K. S. 184 nr. 57. Da wir wissen, daß 906 von einem Königs-
gericht in Metz über Gerhard und Matfried die Acht verhängt wurde (Regino ad 906,
S. 152) und ihre Güter der Konfiskation verfielen (R. Parisot, Le royaume de
Lorraine S. 570 f.), und da hier nur von quondam comité, nicht quondam Gerardo,
die Rede ist, darf diese Nennung lediglich als Beleg für die Amtsenthebung Gerhards
verstanden werden. Er war aber damals noch nicht verstorben. Nun zeigt ein im
Liber memorialis von Remiremont enthaltenes Nekrolog folgenden Eintrag, der von
einer Hand in einem Zuge angefertigt worden ist (gleiche Tinte!): X. Kal. ivlii
migrauit Gebhardus dux de hac luce, migrauit Gerardus cornes (f. 14 v). Es handelt
sich hierbei zunächst einmal um den 910 im Kampf gegen die Ungarn gefallenen
Lothringerherzog Gebhard (E. Dümmler, Gesch. d. ostfr. Reiches III2 S. 558);
der an zweiter Stelle stehende Graf Gerhard dürfte nun — zumal von einem ande¬
ren gleichzeitigen Grafen dieses Namens nichts bekannt ist — unser Matfriedinger
gewesen sein. Er hätte sich demzufolge nach einigen Jahren der Acht mit dem König
und den Konradinern ausgesöhnt (— ab 911 erscheint ja auch Matfried wieder als
Graf —), wäre dem allgemeinen Aufgebot gegen die Ungarn gefolgt und hätte in
diesem Kampf neben seinem früheren Gegner Herzog Gebhard den Tod gefunden. —
Ab 911 sehen wir nur noch den Grafen Matfried in den Quellen hervortreten (vgl.
R. Parisot, a. a O. S. 571).
21 A. Eckel, Charles le Simple (Bibi, de l’école des hautes études 124, 1899) S. 104.
22 Vgl. oben S. 59 f.
23 Zu Wigfried vgl. F. W. Oediger, Die Regesten der Erzbischöfe von Köln I
(1954 — 61) S. 105 ff.; zu Uda vgl. C. Wampach, Urkunden- und Quellen¬
buch I S. 229 nr. 172.
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