Einen Schlüssel zur Lösung der Fragen, weswegen etwa diese Namen in den Liber
memorialis eingeschrieben wurden und unter welchen Gesichtspunkten die Namen
zusammengestellt worden sind, ja wem die so auffällige Schreiberhand gehörte,
bietet ein noch nicht genannter, auf f. 55 v von der gleichen Hand vorgenom-
mener Eintrag. Er lautet:
f. 55 v:
Umbertus pater meus
Adelindis mater mea carissima
Lizuidis U ualdricus
Frambertus : Girbertus : Umbertus : Uuidricus : Albricus : fratres mei.
carissima Goca soror mea germana
nepotes mei
Dado: Framn-
bertus pater su-
us: Girbertus ca-
Lizuidis rissimus: Fridicus
scripsit in an- amitaneas:
no septimodecimo. Emma: Teudrada
Der Eintrag stammt also von einer gewissen Lizuidis1, die zur Zeit der Anferti¬
gung desselben in ihrem 17. Lebensjahr stand. (Das in anno septimo decimo wird
man wohl so zu verstehen haben; oder ist etwa — da die Einträge ungefähr der
Mitte des 10. Jahrhunderts angehören — das 17. Regierungsjahr Ottos I. (952/53)
gemeint?). Und die eingetragenen Personen stellen Eltern, Geschwister, Onkel,
Tanten und Neffen oder Vettern, also den Kreis der engsten Verwandten der
Einschreiberin dar. Dieser letztgenannte Eintrag — nun verglichen mit den zuerst
zitierten Einschreibungen — ist der schlüssige Beweis dafür, daß auch die vorher
angeführten Namenreihen Verwandte der Einschreiberin bezeichnen sollen. Man
erkennt z. B., wie sich die Schreiberin — Lizuidis — beim Eintrag auf f. 57 r
selbst (rechts oben) an die Spitze stellte, wie Vater, Mutter, Brüder, Schwester,
Tanten, Onkel und nepotes ihr folgen, denen sich dann offenbar eine Reihe ferne¬
rer Verwandter anschließt. Und ähnliches erkennt man auch an den Einträgen auf
f. 56 r und f. 53 r. Wir haben also echte Familieneinträge vor uns, die Lizuidis
— offenbar eine Nonne des Klosters Remiremont oder eine dort zur Erziehung
weilende Elevin2, was aus ihrer häufigen Berührung mit diesem liturgischen Buch
geschlossen werden darf — vornahm. Was mit den Einschreibungen bezweckt
werden sollte, ist auch deutlich angegeben, wenn den Namen die Bitte angefügt
1 Zu Frauen als Schreiberinnen vgl. B. Bischoff, Die Kölner Nonnenhandschriften,
in: d e r s., Mittelalterliche Studien (1966) S. 33 f.; A. Bruckner, Zum Problem
der Frauenhandschriften im Mittelalter, in: Aus MA und Neuzeit, Festschrift für
G. Kallen (1957) S. 171 ff.
2 Vgl. dazu unten S. 43 Anm. 64.
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