Und überdies zitiert Benoit Picart die „seconde cronique“ nicht nur dieses eine
Mal. Auch bei der Behandlung Herzog Gerhards (1048—1070) sagt er ja aus¬
drücklich: „Bertel dans son histoire de Luxembourg Papelle comte de Chitenois,
la seconde cronique de Metz dit qu’il fut comte du païs d’Albechouve, qui est
une contrée dans le Saargau supérieur, dont Saar-Albe est le cheflieu“11. Diese Be¬
merkung ist bei Benoit Picart gänzlich ohne Bedeutung für sein genealogisches
System. So wird man umso weniger an eine pure Erfindung glauben können. —
Dazu ist außerdem zu bemerken, daß die Kennzeichnung des Grafen Gerhard als
filins Richardi potentis recht authentisch wirkt; ist doch dieser Graf Gerhard
selbst von dem Metzer Mönch Alpert, den Picart nicht kannte und für eine Fäl¬
schung folglich auch nicht zugrunde legen konnte, nicht nur als Gerhardus Mosel-
lensis, sondern bezeichnenderweise ebenso als p o t e n s vir gekennzeichnet wor¬
den12. Auch das verlorene (späte?) St. Maximiner Annalenwerk nannte Gerhards
Bruder Adalbert potens in Sarachowe13.
Aber selbst wenn man den obigen Gedankengängen um die Zurückführung jenes
Satzes auf Benoit Picart als Primärzeugen nicht zu folgen bereit wäre, ist die
Nachricht, Graf Gerhard sei ein Sohn Richards von Metz gewesen, nicht mehr so
anfechtbar wie bisher. Ist doch dann mit unserem Hinweis auf Benoit Picart eine
Doppelbezeugung (neben der des Abbé de Camp) vorhanden, was wiederum die
Glaubwürdigkeit zu völliger Sicherheit steigerte.
Sucht man nun zu noch größerer Klarheit über die von Benoit Picart benutzte
Quelle zu gelangen, so muß man seine Aufmerksamkeit noch einmal auf die Be¬
merkung zurücklenken, Bischof Dietrich (965—984) habe Richard als Grafen von
Metz eingesetzt. Der Verfasser der Chronik hat hier offenbar die bischöflichen
Stadtgrafen, die comités palacii von Metz, vor Augen. Ein solcher war Graf
Richard aber nicht. Während seiner feststellbaren Grafenzeit (ca. 970—986)14 ist
eine Reihe von vier anderen bischöflichen Metzer Grafen ermittelbar15. Um eine
zeitgenössische hochmittelalterliche Quelle kann es sich also nicht gehandelt haben.
Auch das, was zur Erklärung des Reichtums Richards gesagt wird — Erbschaft
durch seine Frau, die eine Tochter des 944 erschlagenen Grafen Adalbert gewesen
sei — läßt sich als sicher unrichtig aufzeigen und erweist sich damit als ein spä¬
ter, offenbar aus genealogischen Interessen resultierender Erklärungsversuch. Hätte
nämlich Richard eine Tochter des 944 erschlagenen Adalbert von Metz zur Frau
gehabt, dann müßte sein Sohn Graf Gerhard in der Luxemburgerin Eva eine
11 Benoit Picart, a. a. O. S. 172 f.
12 Alpertus, De div. temp., MG SS IV S. 702.
13 Vgl. oben S. 85.
14 Vgl. oben S. 139.
15 Vgl. V. Châtelain, Le comté de Metz et la vouerie épiscopale du VIIIe au XIIIe
siècle II, in: Jahrb. d. Ges. f. lothr. Gesch. 13 (1901) S. 291 f.
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