nationen zu ergänzen1. Indizien wurden vornehmlich aus der Besitzgeschichte
gewonnen, da ja Besitznachfolge in der Tat — falls ein privatrechtlicher Erb¬
gang vorangegangen ist — ein ziemlich beweiskräftiges Argument für das Vor¬
liegen engster verwandtschaftlicher Zusammenhänge darstellt. Auch die Nachfolge
in Ämtern — Grafschaften, Vogteien etc. — konnte im Zusammenhang mit ande¬
ren Argumenten aussagekräftig werden. Hatte sich doch schon gegen Ende der
Karolingerzeit die Erblichkeit des Grafenamtes weitgehend durchgesetzt; und
wurde doch auch nach dem Tode eines kinderlos verstorbenen Amtsinhabers,
wenn kein besonderer dagegenstehender Grund vorlag, dessen weitere Sippe bei
der Neubesetzung in vielen nachweislichen Fällen nicht übergangen. — Darüber-
hinaus wurden Namensgleichheiten bzw. auch nur Anklänge in der Namen¬
gebung (Gleichheit einzelner Silben) beachtet und registriert. Aus der häufig zu
beobachtenden Tatsache, daß mittelalterliche Menschen ihren Kindern den eige¬
nen Namen oder den eines Eltern- bzw. Großelternteils oder auch den eines
anderen nahen Verwandten gaben, hat man geglaubt, auf das Vorhandensein
von festen „Leitnamen“ innerhalb eines Familienzusammenhanges schließen zu
dürfen; ja, es wurden sogar feste Regeln auf gestellt, nach denen die Namen¬
vererbung vor sich gegangen sein soll2!
Die Grenzen dieser und anderer Möglichkeiten, zu weiteren genealogischen
Erkenntnissen zu gelangen, sind aber rasch offenbar geworden. Ließ sich doch
oftmals dartun, daß die Besitznachfolge, die man für einen genealogischen Be¬
weis heranzog, nicht auf einem Erbgang, sondern auf Kauf oder Tausch bzw.
auf Neuvergabe eines eingezogenen Lehens beruhte; die Nachfolge eines anderen
Grafen in einer Grafschaft, die sonst von einer bestimmten Familie verwaltet
wurde, war hie und da als Folge gewisser königlicher Eingriffe zu erweisen; und
konnte man doch ebenso schlagend zeigen, daß eine Behauptung „fester Regeln
der Namengebung“, die mit gesetzmäßiger Strenge beachtet worden sein sollen,
nichts weiter als eine unverbindliche Spekulation ist3. Gewohnheiten sind eben
1 Hierzu vgl. G. Tellenbach, Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des gro߬
fränkischen und frühdeutschen Adels (1957) S. 4 f.
2 In jüngster Zeit hat vor allem J. P. J. Gewin solche Regeln, die „mit der Strenge
eines Gesetzes“ (Verwandtschaften S. 36) gehandhabt worden sein sollen, postuliert.
Vgl. J. P. J. Gewin, Vaste regels bij naamgeving in de vroege middeleeuwen
(= Bijdragen en Mededelingen der Naamkunde-Commissie van de koninklijke
Nederlandse Akademie van Wetenschappen te Amsterdam 19, 1961); d e r s., Her¬
kunft und Geschichte führender bayerisch-österreichischer Geschlechter im Hochmittel¬
alter (1957); d e r s., Die Verwandtschaften und politischen Beziehungen zwischen den
westeuropäischen Fürstenhäusern im Frühmittelalter (1964).
3 Zu welchen Fehlergebnissen G e w i n s Versuch führt, mit seinen festen Regeln die
bekannte Karolingergenealogie zu erweitern, habe ich bereits an anderer Stelle dar¬
getan; vgl. E. Hlawitschka, Die Vorfahren Karls d. Gr., in: Karl d. Gr.,
Bd. I: Persönlichkeit und Geschichte, hrsg. v. H. Beumann (1965) S. 72 Anm. 33.
Vgl. auch M. Mitterauer, Karolingische Markgrafen im Südosten (1963) S. XX
Anm. 18, und K. A. Eckhardt, Merowingerblut II: Agilolfinger und Etichonen
(1965) S. 173.
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