genommen wissen, auch Italien war gegen den Dänen. In den offiziellen
Ratssitzungen offenbarte sich dieser Wandel nicht. Dr. Héctor, gegen den
sich die politischen Parteien in einer Denkschrift gewandt hatten, wurde
wiederernannt. Die Franzosen erreichten auch die erneute Bestätigung
Moltke-Huitfeldts. Die Verordnung über den Landesrat wurde vom Rat
ohne Beanstandungen gebilligt und der liberale Geist der Regierungskom¬
mission in dieser Bemühung um die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung
anerkannt. Allen Regierungsmitgliedern wurde in Aussicht gestellt, daß ihre
Bestätigungen jährlich bis 1925 zu erwarten seien150. Die beiden Petitionen
der saarländischen Parteien vom 18. März 1922151 und vom 6. April 1922152
wurden vom Rat nicht aufgegriffen.
Die Saarprobleme waren durch die Delegation vom September 1921 in Fluß
geraten, die Vorstellungen der Beteiligten über die Weiterentwicklung unter¬
schieden sich aber erheblich. Das Sekretariat hoffte auf eine allgemeine
Beruhigung und eine sachliche und bessere Zusammenarbeit zwischen Re¬
gierung und Bevölkerung und war überdies bereit, einen langsamen Ausbau
der Rechte der Saarbevölkerung zu fördern und einen gewissen Druck auf
Rault zur Besserung der Verhältnisse auszuüben. Z. B. setzte sich das
Sekretariat im August und September 1922 energisch bei der Regierungs¬
kommission für eine Verminderung der französischen Truppen ein, sprach
sich gegen jede Erweiterung des Umlaufs des französischen Geldes aus und
verlangte von der Kommission, daß man sich in Antworten auf deutsche
Proteste nidit auf den § 33 berufe153. Rault dagegen ließ bei der Eröffnung
des Landesrates eine Erklärung154 verlesen, in der bei der Betonung der
Hoffnung auf gute Zusammenarbeit erneut die gesetzlichen Grenzen für
die Kompetenzen des Landesrates aufgewiesen wurden. Er blieb also in der
Tradition seines Denkens, das nicht geeignet war, die Situation psychologisch
zu entschärfen. Die Saarländer selbst waren mit dem Erreichten in keiner
Weise zufrieden. Sie versuchten deshalb, den Landesrat zunächst einmal im
Sinne der Demonstration für ihre Forderungen zu benützen. Durch ihr hart¬
näckiges Drängen155 erreichten sie bei der Eröffnung des Landesrates die
Einwilligung Raults zur Abgabe programmatischer Erklärungen156, die nach
dem Gesetz nidit möglich waren. In diesen Erklärungen legten alle Parteien
ein Treuebekenntnis zu Deutschland ab und erhoben Forderungen zur Er¬
weiterung der Rechte des Landesrates. Die Proteste und Petitionen der
Bevölkerung sollten nun von Landesratsvertretern unterzeichnet werden
und damit diesen das moralische Gewicht der gewählten Volksvertretung
verleihen. Zu den Rats- und Völkerbundstagungen wurden hinfort Delegá¬
is0 S.D.N. J.O. 11,5 (1922), S. 417: Ratssitzung v. Januar 1922 u. III,6 S. 501.
151 S.D.N. Dokument C. 191. M. 105. 1922. I.; J.O. III,5 (1922), S. 457 f.
152 S.D.N. Dokument C. 236. M. 132. 1922. I.
153 S.D.N. Archives des Sections du Secrétariat, Sect. Pol. Sarre, Nr. 56, Dossier General I,
hier vertrauliche Protokolle über Verhandlungen Gilchrists und Colbans mit Morize
am 17. 8. 1922 und am 7. 9. 1922 in Genf und am 10. 9. 1922 zwischen Colban und
Rault.
154 Landesrat des Saargebietes, Sten. Ber. v. 19. 6. 1922, S. 1 ff.
155 Ebenda S. 8—30.
156 Ebenda S. 30—49; vgl. Anlage 5 im Anhang S. 338 ff.
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