dieser Prozeß begonnen19 und war von der französischen Regierung durch
Einflußnahme auf Industrielle bewußt gefördert worden20. Durch diese
Entwicklung in der Saarindustrie, den Übergang der Gruben in französi¬
schen Staatsbesitz und die Errichtung einer französischen Grubenverwal¬
tung, eines französischen Oberbergamtes und einer saarländisch-französi¬
schen Handelskammer21 beherrschten die Franzosen das wirtschaftliche
Leben und befand sich der größte Teil der saarländischen Arbeiterschaft in
unmittelbarer Abhängigkeit vom französischen Staat oder von französischen
Industriellen.
Ein einschneidender Vorgang für die wirtschaftliche Vorrangstellung Frank¬
reichs an der Saar war die Ausschaltung der deutschen Währung. Dieser Pro¬
zeß vollzog sich innerhalb der drei ersten Jahre (1920—1923). Zunächst
machte die französische Grubenverwaltung von § 32 des Saarstatuts, nach
dem der französische Staat das Recht hatte, sich bei allen Käufen und Zah¬
lungen des französischen Geldes zu bedienen, bereits am 1. Juli 1920 Ge¬
brauch22. Seit diesem Zeitpunkt wurden Angestellte, Beamte und Arbeiter
der Staatsgruben in französischer Währung entlohnt. Das hatte weitgehende
Konsequenzen für das wirtschaftliche Leben an der Saar, und die Regie¬
rungskommission war sich der zu erwartenden Erschwerung der Lage durch¬
aus bewußt23. Das Nebeneinander der beiden Währungen führte zu einer
Steigerung der Lebenshaltungskosten und der Kohlenpreise für die Eisen¬
industrie und zur Not aller Kreise, die nur über Reichsmarkkapitalien und
-einkünfte verfügten24. Die Schwierigkeiten der doppelten Währung und
die fortschreitende Inflation der deutschen Reichsmark ermöglichten der
Regierungskommission eine schrittweise Erweiterung des Umlaufes des
französischen Geldes. Nacheinander wurden zunächst die Metallarbeiter,
dann die Beamten der Regierungskommission und schließlich auch die Arbei¬
ter und Angestellten der Kommunen in Francs bezahlt. Die Saarbevölke¬
rung wehrte sich zum Teil gegen diese Maßnahmen, besonders die Industrie,
die Angestellten der Post und der Kommunen, die politischen Parteien und
die Christlichen Gewerkschaften25. Schließlich wurde zum 1. Juni 1923 der
Französische Franc durch eine Verordnung der Regierungskommission zum
alleinigen Zahlungsmittel an der Saar erklärt26. Die Chance, die in § 32 des
Saarstatuts zu einer gewissen Progression der französischen Währung an der
19 Osborne, a. a. O., S. 105, Anm. I, beschreibt die Methoden der Militärverwaltung
in diesem Prozeß. Lambert, a. a. O., S. 141 ff., gibt auch eine genaue Übersicht über
die französische Beteiligung an den einzelnen Unternehmen.
20 E. Staley, Private investements and international politics in the Saar, 1919—1920:
a study of politico-economic penetration in a post-war plebiscite area, in Journal of
Political Economy, Bd. XLI (1933), S. 599.
21 Revire, Perdrons-nous la Sarre?, Paris 1929, S. 31.
22 S.D.N. J.O. IV,7 (1923), S. 742 — 14. Per. Ber. d. Reg.-Kom.
23 Ebenda: 1,3 (1920), S. 102 und 11,2 (1921), S. 199.
24 Darüber besonders „Denkschrift über die wirtschaftliche Not des Saargebietes“ vom
September 1921 in Bibliothek der UNO in Genf unter 910.33 D. 39.
25 Vgl. dazu unten Anm. 27; außerdem S. 163 unten.
26 Amtsblatt der Regierungskommission für das Saargebiet, Jg. 1923, Nr. 352; aus¬
führlicher Bericht der Regierungskommission über diese Entwicklung in S.D.N. T.O.
IV,7 (1923), S. 741—750.
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