Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935 (3)

dentschaft innerhalb der Regierungskommission dem Franzosen zu über¬ 
tragen, da in Anbetracht der großen wirtschaftlichen Vorteile Frankreichs 
an der Saar das Wohl der Bevölkerung eine enge Zusammenarbeit mit 
Frankreich notwendig mache, die auf diese Weise am besten gewährleistet 
werden könne13. In der gleichen Sitzung wurde auf Vorschlag des Griechen, 
dessen Bericht in enger Zusammenarbeit mit dem Sekretariat abgefaßt wor¬ 
den war14, ebenfalls beschlossen, die französischen Truppen im Saargebiet 
zu belassen, bis eine lokale Gendarmerie geschaffen sei, wie sie der § 30 des 
Statuts zum Schutze der „Person und des Eigentums im Saarbecken“ vorsah. 
Damit trat die Regierungskommission unter einem französischen Präsidenten 
und unter dem Schutze der französischen Besatzungsarmee ihr Amt an. Das 
schuf von vorneherein bei der Saarbevölkerung Mißtrauen, besonders da in 
der Periode der französischen Besatzung zur Zeit der Friedensverhand¬ 
lungen bereits Versuche unternommen worden waren, Frankreichs Position 
an der Saar über die im Vertrag hinaus erreichten Erfolge zu erweitern15. 
Die Saarbevölkerung hatte die Vertragsbestimmungen als schweres Unrecht 
angesehen, und die Atmosphäre der Erbitterung gegenüber Frankreich war 
in der Besatzungszeit noch gewachsen16. Beachtet man weiter, daß komplexe 
und komplizierte Aufgaben im Zusammenhang mit der im Vertrag vor¬ 
gesehenen Übernahme der Rechte des Deutschen Reiches, Preußens und 
Bayerns auf die Kommission harrten, wird die Schwierigkeit ihrer Position 
deutlich. 
2. Die Grundzüge der Regierungsweise unter Führung des 
Präsidenten Rault 
Als die Regierungskommission im März 1920 ihre Tätigkeit in Saarbrücken 
aufnahm, fiel Rault auf Grund seiner Präsidentschaft und der Tatsache, daß 
er neben dem Saarländer das einzige Mitglied der Kommission war, das mit 
Saarproblemen — wenigstens in französischer Sicht — vertraut war, ein 
unbedingtes Übergewicht zu. Dieses verstärkte sich noch, als die Ressorts 
verteilt wurden und Rault für sich Inneres, Äußeres, Plandel, Industrie und 
13 S.D.N. J.O. 1,2 (1920), S. 45 ff.; Deutsches Weißbuch, S. 66 f. 
14 So Röchling, Wir halten die Saar, S. 56, ganz allgemein über die Berichte der 
Frühzeit. Das zeugt erneut von guter Information, da im Anfangsstadium die Be¬ 
richte für die Ratssitzungen meist vom Sekretariat sehr eingehend, teilweise wörtlich 
vorbereitet, auf jeden Fall aber in engster Absprache mit dem Sekretariat ausgearbei¬ 
tet wurden. Teilweise wurden sie sogar vorher zur Information an Rault übersandt. 
S.D.N. Archives du Secretariat, Section Politique, Sarre Nr. 57,12 Colban (personnel). 
Hier Korrespondenz mit Rault über Berichte im Rat. 
15 Dokumente dazu: Deutsches Weißbuch, S. 25—31; S. 32—39; S. 43—48. 
16 S.D.N. J.O. 1,3 (1920), S. 102. Rault spricht in seinem I. Periodischen Bericht selbst 
von den Härten des Besatzungssystems, die zur Erbitterung der Bevölkerung führten. 
Coursier, a. a. O., S. 21—26, empfindet klar, daß das Saarstatut dem Selbst¬ 
bestimmungsrecht der Völker widerspricht. Er spricht von einem Widerstreit zwi¬ 
schen einem politischen Recht (Selbstbestimmungsrecht) und einem wirtschaftlichen 
Recht im Reparationsanspruch Frankreichs. Bei der Anerkennung der Tatsache, daß 
das Selbstbestimmungsremt gegen die Abtrennung des Saargebietes sprach, weist er 
jedoch den wirtschaftlichen Vorrechten Frankreichs rechtschaffende Bedeutung im 
internationalen Status des Saargebietes zu. 
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