nommen werden, es sei denn, daß diese Änderung die Folge einer allgemeinen vorn
Völkerbund beschlossenen Regelung der Arbeitsverhältnisse ist.“
Durch diese Bestimmung war die Entwicklung der sozial- und arbeitsrecht¬
lichen Gesetzgebung vom französischen Staat abhängig. Die Regelungen
über das Zollwesen sahen nach einer Übergangszeit von fünf Jahren eine
vollständige Eingliederung in das französische Zollsystem vor und machten
damit Wirtschaft und Handel an der Saar von der französischen Wirt¬
schafts- und Handelspolitik abhängig. Die Übergangsbestimmungen, die zu¬
nächst die an der Saar bestehenden Wirtschaftsverbindungen schonten,
waren in ihrer politischen Wirkung geeignet, den Versailler Erfolgen Frank¬
reichs an der Saar den Stempel einer Progression aufzudrücken. Ähnlich
ließen auch die Paragraphen über die französische Währung und das Recht
der Errichtung französischer Grubenschulen und Wohlfahrtseinrichtungen
der französischen Grubenverwaltung Maßnahmen offen, die als fortschrei¬
tender Einfluß Frankreichs an der Saar anzusehen waren. Die Hoffnung
Frankreichs, durch seine wirtschaftlichen Positionen an der Saar und die
politische Loslösung des Gebietes von Deutschland die Möglichkeit zu be¬
sitzen, die Bevölkerung bis zur Volksabstimmung für Frankreich gewinnen
zu können, stand klar im Bewußtsein der Bevölkerung. Jeder französische
Einfluß an der Saar wurde unter den Gesichtspunkten erlebt, wie sie die
französische Note vom 29. März 1919 geltend gemacht hatte:
„ . . . Dies Land war französisch. Diese Tatsache schafft eine Vermutung, daß es
gern wieder französisch werden wird. Das Beispiel Elsaß-Lothringens beweist es.
Schon heute wissen wir, daß die Mehrheit der Bevölkerung von Saarlouis bereit ist,
die Wiedervereinigung mit Frankreich zu verlangen.
Um die Zeit in voller Billigkeit das rückgängig machen zu lassen, was vor einem
Jahrhundert durch Gewalt begangen worden ist, ist es angezeigt, die Frage der
Souveränität über dieses Gebiet gegenwärtig nicht anzuschneiden.
Vorübergehend soll das Gebiet weder unter die Souveränität Deutschlands noch
unter die Souveränität Frankreichs gestellt werden. Es soll unter der Obhut des
Völkerbundes stehen . . ,
Nach Ablauf von fünfzehn Jahren sollen alle Bewohner . . . befragt werden. Vor
diesem Datum soll kein Antrag auf Vereinigung mit Deutschland in Erwägung
gezogen werden, da diese Frist von fünfzehn Jahren gerade deshalb vorgesehen ist,
um die Zeit handeln zu lassen und die Bevölkerung in die Lage zu versetzen,
gerecht und frei über die Souveränität zu entscheiden. Preußen hat für sich 100
Jahre gehabt, um sein Werk der Gewalt zu befestigen.“41.
Die Eigenart der französischen Rechte an der Saar verlieh dem Vertrags¬
werk für die Franzosen wie für die Saarländer eine eigentümliche Spannung
zwischen Statik und Dynamik. Die Rechte Frankreichs waren in dem Ver¬
trag durch die internationale Verwaltung gleichzeitig garantiert und be¬
grenzt und schienen damit einen definitiven Rechtszustand zu schaffen. Da
die Saarlösung aber im Hinblick auf die große politische Entscheidung des
Jahres 1935 den Stempel eines Provisoriums trug, rief sie eine aktive fran¬
zösische Saarpolitik hervor, zu der in den Vertragsbestimmungen für Frank¬
reich ein gewisser Raum vorhanden war.
41 Deutsches Weißbuch, S. 10: Übersetzung aus Tardieu, a. a. O., S. 295 f.
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